Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
hingen, unablässig im Auge behalten musste. Besonders hartnäckig und ausdauernd war eine große, gefleckte Hyäne, die man schon oftmals verscheucht hatte, die aber immer wieder auftauchte und sich beständig am Rand des Lagerplatzes herumtrieb. Von den lässigen und halbherzigen Versuchen der Männer, sie zu töten, ließ sich das Tier nicht beeindrucken; mehrmals am Tag gelang es dem listigen Geschöpf, ein paar Happen Fleisch zu ergattern.
Mit geschwinden Händen waren Ebra und Oga gerade dabei, die letzten blutigen Brocken zu zerschneiden, um sie zum Dörren aufzuhä ngen. Uka und Ovra füllten flüssiges Fett in einen Darm. Ayla hockte am Bach und wusch ein Darmstück aus. Eine Eiskruste hatte sich schon an seinem Rand gebildet, doch das Wasser floss noch munter dahin. Die Männer standen bei den gewaltigen Stoßzähnen und berieten darüber, ob sie mit ihren Schleudern auf die Jagd gehen sollten.
Brac hatte bei seiner Mutter und Ebra gesessen und sich mit Kieselsteinen unterhalten. Doch bald war er der runden Dinger, die sich nicht bewegten, überdrüssig geworden, war aufgestanden und neugierig ins Gebüsch getapst. Die Frauen, die sich ganz der Arbeit zugewandt hatten, gewahrten nicht, wie der kleine Junge sich davonstahl. Nur ein Paar Augen beobachteten ihn scharf.
Aller Köpfe flogen herum, als ein markerschütternder Schrei die Stille zerriss.
"Brac!" schrie Oga. "Die Hyäne hat mein Kind!" Ogas jammervolle Hand stieß in die Richtung, in die das widerliche Tier, mit gierigem Gebiss das Kind am Arm packend, sich davonmachte.
"Brac! Brac!" schrie Broud, als er, gefolgt von den anderen Männern, der Hyäne hinterherlief. Schnell griff er nach seiner Schleuder, um den Speer zu gebrauchen, war er viel zu weit entfernt, und bückte sich hastig, um einen Stein aufzuheben, schleuderte ihn ab und fehlte. Verzweifelt suchte er nach einem neuen.
Etwas seitlich von den Männern, aus dieser Richtung etwa, kam plötzlich das Sirren zweier Steine, die schnell hintereinander abgeschossen worden waren und genau den widerlichen Kopf des Tieres trafen, das wie vom Blitz getroffen zusammenbrach, kurz zuckte und die langen Läufe von sich streckte.
Wie versteinert blieb Broud stehen und riss den Mund auf vor Erstaunen und dann vor Unglauben die Augen, als er sah, wie Ayla, die Schleuder noch in der Hand, zu dem wimmernden Kind hinstürzte.
Es war dem Mädche n gelegen gekommen, dass es mondelang diese Tiere genau beobachtet hatte; es war damit vertraut, wie sie lebten, es wusste, wo sie verletzbar waren, hatte sich unermüdlich darin geübt, sie zu jagen und zu erlegen. Und wie sie Bracs gellendes Schreien hörte, hatte sie einfach zu ihrer Schleuder gegriffen, ohne daran zu denken, was das nach sich ziehen musste. Sie hatte die Hyäne hindern wollen, das ClanKind mit sich fortzuschleppen.
Erst nachdem sie das Kind erreicht und aus den Zähnen der toten Hyäne befreit hatte, erst als sie sich umwandte und den fassungslosen Blicken der anderen begegnete, wurde ihr klar, was geschehen war. Ihr Geheimnis war bekannt. Sie hatte sich verraten. Jetzt wussten die Jäger, dass auch sie jagte. Eisige Furcht umschloss ihr Herz und Hirn, als sie an die Folgen dachte.
Fest drückte sie den kleinen Jungen an sich und mied die großäugigen Blicke der Clan-Leute, während sie zum Lagerplatz zurückrannte. Oga war die erste, die aus der Erstarrung erwachte. Sie lief Ayla entgegen, streckte die Arme aus und nahm dankbar ihr Kind von dem Mädchen entgegen, das ihm das Leben gerettet hatte. Sobald sie im Lager waren, untersuchte Ayla den Jungen, nicht nur, um zu sehen, wie verletzt er sei, sondern auch, um eine Weile den Blicken der anderen entgehen zu können. Bracs Arm und Schulter zeigten tiefe Bisswunden, und der obere Armknochen war gebrochen.
Noch nie hatte Ayla einen Arm geschient, aber Iza mehrmals dabei zugesehen. Und die Medizinfrau hatte ihr auch noch vor dem Aufbruch zur Jagd erklärt, was in so einem Notfall zu tun war. Izas Sorge allerdings hatte den Jägern gegolten; der Gedanke, dass dem Kind etwas zustoßen könnte, war ihr gar nicht erst in den Sinn gekommen. Ayla schürte das Feuer, machte Wasser heiß und holte ihren Otterfellbeutel heraus.
Die Männer standen still und stumm, noch immer wie benommen; es wollte ihnen nicht in den Kopf, was ihre Augen eben gesehen hatten. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte Broud dem Mädchen gegenüber ein Gefühl warmer Dankbarkeit. In seiner tiefe n Erleichterung sah
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