Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
durfte euch noch einmal sehen, bevor ich gehe. Aber ich kann sie nicht länger warten lassen."
Die heiße Brühe und der Wurzeltrank hatten die letzten Kräfte der Frau aufleben lassen. Ihr Körper entbrannte fieberheiß in einem letzten Versuch, die Krankheit abzuwehren, die die Frau ausgezehrt hatte. Die blitzenden Augen und das Rot, das das Fieber ihr in die Wangen trieb, verliehen ihr ein trügerisches Aussehen von Gesundheit. Doch zugleich ging von Izas Gesicht ein Leuchten aus, das von innen her zu kommen schien. Es war nicht die Glut des Lebens. Es war das, was die Clan-Leute das Geisterleuchten nannten, und Brun hatte es schon bei anderen gesehen. Dies war die emporsteigende Lebenskraft, die sich anschickte, den Körper zu verlassen.
Oga behielt Durc bis spät in den Abend an Brouds Feuerstätte. Lange nachdem die Sonne untergegangen war, brachte sie das schlummernde Kind zurück. Uba legte den Kleinen auf Aylas Fell. Tiefe Bangnis und ein Gefühl der Verlorenheit quälten das junge Mädchen. Sie hatte keinen, an den sie sich wenden konnte. Sie wollte Ayla in ihren verzweifelten Bemühungen, Izas Leben zu retten, nicht stören, und sie wollte ihre Mutter nicht stören. Creb war nur aus seiner Zauberhöhle gekommen, um Izas Körper mit ockerroten Symbolen zu zeichnen. Gleich danach war er wieder verschwunden und ließ sich nicht mehr blicken.
Uba hatte alles ausgepackt und einen Verzehr bereitet, den keiner anrührte. Als sie alles wieder fortgeräumt hatte, hockte sie sich still neben das schlafende Kind und wünschte, sie hätte etwas zu tun. Zwar konnte das die Angst in ihrem Herzen nicht vertreiben, aber es war besser, als untätig dazusitzen und zuse hen zu müssen, wie Iza langsam starb. Schließlich legte sie sich auf Aylas Fell und kuschelte sich an das kleine Kind.
Ayla gönnte sich keinen Augenblick Ruhe. Unermüdlich kümmerte sie sich um Iza und versuchte mit allen Mitteln, die ihr einfielen, das Sterben aufzuhalten. Nicht einen Lidschlag lang ließ sie Iza aus den Augen, voller Angst, die Frau könnte ihr entgleiten, wenn sie nicht hinsah. Sie war nicht die einzige, die diese Nacht durchwachte. Nur die kleinen Kinder schliefen. An jeder Feuerstätte in der dunklen Höhle hockten Männer und Frauen reglos da und starrten in die rote Glut oder lagen mit offenen Augen auf ihren Fellen.
Der Himmel draußen war von Wolken verhangen, die die Sterne verhüllten. Die Düsternis der Höhle verschmolz am Eingang mit tiefer Finsternis. In der Stille des frühen Morgens, als noch kein Licht den Himmel erhellte, fuhr Ayla mit einem Ruck aus kurzem Schlaf auf.
"Ayla", flüsterte Iza heiser.
"Was ist, Iza?" fragte die junge Frau. Die Augen der Medizinfrau glänzten im Licht des Feuers.
"Ich will dir etwas sagen, ehe ich gehe", bedeutete Iza und ließ die Hände sinken. Es machte ihr Mühe, sie zu bewegen.
"Laß, Iza. Du sollst ruhen. Bei Sonnenaufgang wirst du kräftiger sein."
"Nein, Kind. Ich muß es jetzt tun. Bei Sonnenaufgang bin ich nicht mehr hier."
"Doch, doch! Du mußt bleiben. Du darfst nicht fortgehen", flehten Aylas Hände.
"Ayla, ich gehe. Du mußt es annehmen. Laß mich es dir danken. Ich bin nicht mehr lange hier."
Wieder gönnte sich Iza etwas Ruhe, während Ayla in starrer Verzweiflung wartete.
"Ayla, du warst meinem Herzen immer am nächsten. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber so ist es. Ich wollte dich bei mir behalten. Ich wollte, dass du beim Clan bleibst. Aber bald werde ich nicht mehr da sein. Creb wird mir folgen, und auch Brun ist betagt. Nach ihm wird Broud der Clan-Führer. Ayla, du kannst nicht bleiben, wenn Broud der Clan-Führer wird. Er wird einen Weg finden, dir Böses zu tun."
Wieder rasselte Izas Atem. Mit geschlossenen Augen rang sie nach Luft und fuhr fort:
"Ayla, meine Tochter, du seltsames, eigenwilliges Kind. Stets hast du dich bemüht, allen alles recht zu machen. Ich habe dich gelehrt, eine Medizinfrau zu werden, damit du im Clan genug Ansehen genießt, selbst wenn du niemals einen Gefä hrten finden solltest. Aber du bist eine Frau. Du brauchst einen Gefährten. Einen Mann, der zu dir gehört. Du stammst nicht aus dem Clan, Ayla. Du wurdest den Fremdlingen geboren. Du gehörst zu ihnen. Du mußt fortgehen, Kind, deine eigenen Leute suchen."
"Fortgehen?" bedeutete Ayla verwirrt. "Wohin soll ich gehen, Iza? Ich kenne die Fremdlinge nicht. Ich weiß nicht, wo ich sie suchen soll."
"Viele von ihnen leben in den Gebieten im Inneren des Landes, dort wo der Schnee viel länger
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