Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
den Kopf gesenkt hielt und ihm, wie er wohl gewahrte, einen Blick voll ehrfürchtiger Bewunderung nachwarf, als er sich zum Gehen wandte.
Das Mädchen Oga hatte den Tod ihrer Mutter und des Vaters, deren einziges Kind sie gewesen war, nur schwer verwunden. Bruns Gefährtin war gut zu ihr gewesen, seit sie am Feuer des Clan-Führers sein durfte. Doch der Oberste im Clan flößte ihr Angst ein, denn er war strenger als der Gefährte ihrer Mutter und ließ die anderen der Familie spüren, wie sehr die Last des Führens ihn bedrückte. Ebras Augen, Mund und Hände und ihr Leib waren dann nur für Brun da, und auch keiner sonst hatte viel Zeit für das verwaiste Mädchen, während sie auf der Wanderung gewesen waren. Doch eines Abends hatte Broud gesehen, wie sie allein am Feuer gekauert war, die Arme um die Knie geschlungen, und traurig in die Flammen starrte. Noch jetzt spürte Oga einen sanften Schauer den Rücken hinunterrieseln, als das Bild ihr wieder in den Kopf kam, wie der stolze Junge, beinahe ein Mann, der ihr zuvor nur selten Beachtung geschenkt hatte, neben ihr niedergesunken war, den Arm um ihre Schulter legte und wie sich seine Hand auf ihre junge Brust gesenkt hatte. Seit diesem Abend brannte auch in ihr ein Feuer: wenn sie zur Frau wurde, dann wollte sie von Broud genommen werden.
Warm durchflutete die Sonne des späten Nachmittags die Stille der Luft. Kein Hauch, der sich regte. Nur die buntschillernden Fliegen summten über den Fleischresten, und die Grabstöcke knirschten, als die Frauen auf Steine trafen, die sie dann aus der immer tiefer werdenden Grube warfen.
Ayla hockte neben Iza, die gerade in ihrem Otterfellbeutel nach dem roten Säckchen suchte. Den ganzen Tag über war das Kind ihr nicht von der Seite gewichen, das nun störte, da Medizinfrau und Mog-ur sich auf die Höhlenweihe und ihr feierliches Tun zu besinnen und vorzubereiten hatten. Sie brachte das Kind zu den grabenden Frauen, die schon eine tiefe Mulde gescharrt hatten. Später würde man sie mit Steinen auslegen und darauf ein großes Feuer entfachen, das die ganze Nacht zu brennen hätte. Am folgenden Morgen käme der gehäutete und zerteilte Bison, gut in Blätter gewickelt, in die Grube, wo man ihn mit einer weiteren Lage von Blättern und einer Erdschicht bedecken und dann bis zum späten Nachmittag in der Glut schmoren lassen wurde.
Die Erdarbeiten waren mühsam und gingen oft langsam von der Hand. Doch heute hatten die zugespitzten Grabstöcke den Boden fast ungehindert aufbrechen können. Das gelockerte Erdreich wurde gewöhnlich mit den Händen auf eine Decke aus Tierhaut geworfen, aus der Grube hochgezogen und auf die Seite geschafft. War die Grube einmal fertig, so konnte sie immer wieder benützt werden; nur ab und zu musste man die Asche von den Steinen holen. Während die Frauen noch gruben, samme lten Oga und Vorn unter den wachsamen Blicken von Ukas Tochter Ovra Holz und schleppten Steine vom Bach herbei.
Als Iza sich nun mit dem Kind an der Hand näherte, hielten die Frauen inne. "Ich Mus zum Mog-ur", bedeutete sie ihnen und schubste Ayla auf die Gruppe zu. Als sie sich zum Gehen wandte, wollte Ayla der Medizinfrau folgen, doch die Frau schüttelte den Kopf und schob sie wieder zu den anderen zurück. Dann entfernte sie sich eilig.
Es war das erste Mal, dass Ayla mit den anderen Clan-Leuten in Berührung kam. Wie angewurzelt stand sie da, die Hände auf dem Rücken, die Finger krampfhaft verknäult, den Kopf zu Boden gesenkt. Nur ab und zu wagte sie einen scheuen Blick von unten herauf. Obwohl es gegen den Clan-Brauch war, beäugten alle das magere, langbeinige Mädchen mit dem seltsam platten Gesicht und der hohen vorragenden Stirn. Zum ersten Mal war dieser Fremdling aus der Nähe zu sehen.
Ebra brach schließlich das neugierige Schweigen. "Sie kann mit euch Holz sammeln", bedeutete sie Ovra, bückte sich und setzte wieder den Grabstock an.
Die junge Frau schritt auf eine Baumgruppe zu; doch Oga und Vorn konnten sich vom Anblick der kleinen Andersartigen nicht losreißen. Ungeduldig winkte Ovra den beiden Kindern, bedeutete dann auch Ayla, ihr zu folgen. Das Mädchen glaubte, verstanden zu haben, war aber nicht sicher, was von ihm erwartet wurde. Noch einmal winkte Ovra, wandte sich dann ab und verschwand hinter den Bäumen. Widerwillig trotteten die beiden Kinder hinterher. Ayla sah ihnen nach, dann setzte sie sich zögernd in Bewegung.
Als sie auch unter den Bäumen war, stand sie eine Weile untätig da und sah
Weitere Kostenlose Bücher