Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Ayla unter Crebs geduldiger Anleitung allmählich nicht nur die Sprache, sondern auch die Verhaltensweisen und Bräuche des Clans zu verstehen, der sie bei sich aufgenommen hatte. Sie gewöhnte sich daran, die Auge n abzuwenden oder niederzuschlagen, um den Clan-Leuten das blickoffene Eigenleben im Wohnkreis nicht zu stören. Doch war dies nur der erste Schritt auf einem dornenreichen Weg.
Doch Creb und Iza lernten auch hinzu. Sie entdeckten, dass Ayla vergnügt war und nicht verstimmt, wenn sie bei klaffenden Lippen die Zähne zeigte und befremdlich helle Hauchlaute ausstieß; sie lernten, dass dieses Benehmen Frohsinn bedeutete. Die leicht das Hirn drückende Sorge aber über die merkwürdige Empfindlichkeit ihrer Augen, die sich mit Wasser füllten, wenn das Kind Kummer hatte, wurden sie niemals ganz los. Und Iza sagte sich, dass dieses wohl den wasserhellen Augen eigen sei; und gerne hätte sie gewusst, ob das bei allen anderen von Aylas Leuten auch so sei. Da es ja bestimmt nichts schadete, spülte sie Aylas Augen mit dem klaren Saft einer bläulichweißen Pflanze, die es tief in kühlen schattigen Wäldern gab, wo sie auf verfaulendem Holz und verrottendem Grün gedieh. Sobald man sie berührte, färbte sie sich schwarz. Und jedes Mal, wenn Ayla weinte, träufelte Iza nun ein wenig davon in des Kindes himmelblaue Wasseraugen.
Es begab sich nicht oft, dass Ayla weinte, die, obwohl sie merkte, dass ihre Tränen augenblicklich Zuwendung zur Folge hatten, sich bemühte, sie, so gut es ging, zu unterdrücken; denn für die Clan- Leute waren sie Ausfluss des Fremdartigen.
Allmählich lernte Ayla, mit den Erdlingen zu leben und sie so zu nehmen, wie sie waren. An den Männern fraß die Neugier zwar, doch war es offensichtlich unter ihrer Würde, dies auch noch kundzutun, vor allem gegenüber einem Kind, ganz gleich, wie ungewöhnlich es auch war. Ayla beachtete die Männer ebenso wenig wie diese sie beachteten. Nur Brun zeigte etwas mehr der Anteilnahme; doch machte er ihr Angst, denn er schien streng und unnahbar. Hätte sie geahnt, dass nicht der ClanFührer, sondern der Mog-ur als unzugänglich und furchteinflößend galt, so hätte sie es nie geglaubt. Und so gewahrte sie auch nicht das Kopfschütteln über die Vertraulichkeit, die sich zwischen ihr und dem Zauberer entspann. Doch einer im Clan war Ayla sehr zuwider, und das war der junge Jäger, der an Bruns Feuer saß. Stets machte Broud ein finsteres Gesicht, wenn er sie ansah.
Mit den Frauen wurde sie schneller vertraut, war sie doch fast den ganzen Tag um sie herum. Und wenn sie nicht im Wohnkreis von Crebs Feuer saß oder mit der Medizinfrau durch Wälder und Wiesen streifte, war sie ebenso wie Iza mit den Clan-Frauen zusammen. Sie sah zu, wie man Tiere häutete, Felle und Häute bearbeitete, Riemen straffte, die in Streifen aus der Haut herausgeschnitten wurden, Körbe, Matten oder Netze flocht, aus Baumstümpfen Schüsseln aushöhlte. Beeren und Früchte sammelte, den Verzehr vorbereitete und Fleisch und Pflanzen für die kalten Tage dörrte. Und als die Frauen gewahr wurden, dass das Mädchen sich willig zeigte, das Ihre anzunehmen, halfen sie ihm gern, das Zeichensprechen gründlicher zu lernen, und unterwiesen sie in manchen Fertigkeiten.
Aylas Knochen waren nicht so kräftig wie die der Frauen und Kinder des Clans; ihre feineren Gliedmaßen hätten auch kaum das schwere Muskelfleisch der Clan-Leute zu tragen vermocht. Doch sie war erstaunlich flink und behände. Verrichtungen, die Körperkraft verlangten, waren für sie schwer zu bewältigen, doch dafür, dass sie noch ein Kind war, zeigte sie sich beim Körbeflechten und beim Zuschneiden von Riemen gleicher Breite sehr anstellig. Und bald fasste sie eine Zuneigung zu Ika, die ihr erlaubte, Borg herumzutragen und mit dem kleinen Kind herumzutollen. Ovra hielt sich leicht zur ück, doch sie und Ika warfen Ayla bei der Arbeit warme Blicke zu. Glich doch das Schicksal ihrer Leute dem Schicksal von Aylas Leuten: die Höhlen hatten es beschlossen, als sie einstürzten und sie unter sich begruben.
Das erste feine Band der freundlichen Gefühle, das sich so bald zwischen ihr und Oga angesponnen hatte, riss jedoch kurz darauf entzwei. Denn Oga zog es mehr zu Broud; zwar Ayla zugeneigt, weil diese, wenn auch jünger, ein Mädchen war wie sie und später Frau, aber Brouds Gefährtin werden wollend, so dass sie Ayla mied, wo es nur ging.
Mit Vorn, dem kleinen Gernegroß, war nicht viel anzufangen. Obwohl
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