Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
er jünger war als Ayla, hatte er nur eins im Sinn, ihr mit gebieterischer Miene zu befehlen, wie es die Männer mit den Frauen hielten, das zu ertragen Ayla immer noch nicht recht gelingen wollte. Denn als sie sich dagegen wehrte, trug ihr das nur den Zorn der Männer wie der Frauen ein. Besonders Aga, die Mutter des Vorn, schalt laut und drohte mit den Fäusten, weil immer dann, wenn just ihr Sohn sich wie ein Mann benehmen wollte, ihm Ayla ihre kalte Schulter zeigte und sein Gezeter schnell ins Leere ging. Brouds Groll gegen Ayla war ihr so wenig wie den anderen verborgen geblieben. Der junge Jäger wurde eines Tages Brun folgen und Clan-Führer werden. Und wenn ihr Sohn dann immer noch in seiner Gunst stand, würde er bestimmt zum Zweiten im Rang erkoren werden. Sobald sie Broud in der Nähe wusste, funkelte sie das fremde Mädchen an und schlug nach ihr und drängte sie, die Arbeit schneller fortzusetzen.
Von Tag zu Tag gelang es Ayla immer besser, die ClanSprache richtig zu beherrschen. Jedoch ein Zeichen eignete sie sich selbst durch eigene Beobachtung an, denn gänzlich war sie nicht des Blicks entwöhnt, den anderen die Augen aufzudrängen, die sich gerade lebhaft unterhielten.
So sah sie eines späten Mittags Ika zu, wie sie mit Borg ein Zeichen übte, der dann nach einigen Versuchen mit ungelenken Händen nachzudeuten wusste, was Ika lange und geduldig dem Sohne vorgemacht, und voller Freude ihn dann an sich drückte. Wenig später beobachtete Ayla, wie Vorn zu Aga hinrannte und sie mit der gleichen Gebärde ansprach. Und auch Ovra begann, wenn sie mit Ika etwas zu behandeln hatte, mit diesem Zeichen.
Als es Abend war, drängte sich Ayla etwas scheu an Iza heran, und als die Frau vom Feuer aufblickte, machte das Kind mit zaghaftem Finger einen Kreis und da durch eine Linienkerbe, von oben nach unten gezogen mit der flachen Hand und zeigte dann auf Iza. Die riss die Augen auf.
"Creb", rief sie. "Wann hast du das Kind gelehrt, mich Mutter zu nennen?"
"Ich habe das nicht getan, Iza", bedeutete ihr der Bruder. Iza wandte sich wieder dem Mädchen zu.
"Hast du das von dir?" wollte sie wissen.
"Ja, Mutter", machte Ayla eifrig. Ihr war zwar nicht ganz klar, was dieses Zeic hen wohl bedeuten mochte, aber sie hatte gesehen, dass es stets von Jüngeren gebraucht wurde, wenn sie etwas von den Frauen wollten, die für sie zu sorgen hätten.
Iza, die Kinder zu bekommen aus gutem Grunde dem eigenen Körper untersagt hatte, war tief gerührt. "Kind", machte sie und umarmte Ayla. "Mein Kind", und umschlang den schmächtigen Findling. Und zu Creb gewandt, meinte sie, dass sie ihn durch die Geister empfangen hätte, die es so gewollt.
Creb sagte nichts. Doch er dachte ähnlich.
Nach diesem Abend wurde Ayla nicht mehr so oft von drückenden Träumen gequält, hatte nur hin und wieder Bangnis und Unruhe im Schlaf zu erleiden. Zwei Träume stellten sich noch ein; in dem einen versuchte sie voller Angst dem gierigen Schlag einer riesigen Pranke mit großen, spitz gebogenen Krallen zu entkommen; im anderen hatte sie Boden unter den Füßen, der schwankte; ihre Ohren erfüllte ein tiefes, donnerndes Grollen und den Magen drückte ein schreckliches Gefühl von Leere, und in ihrem Kopf raste ein verzehrendes Feuer. Sie schrie dann auf in fremden Tönen und klammerte sich hilfesuchend an Iza, wenn sie dann erwachte. War es in der ersten Zeit ihres neuen Lebens unter den Clan-Leuten vorgekommen, dass sie ungewollt auf die Sprache zurückgriff, die sie von ihrer Mutter hatte, so kehrten später, als ihr die Zeichen der Clan-Sprache und das, was diese bedeuteten, immer vertrauter wurden, die Laute von einst immer noch in ihren Träumen wieder. Und schließlich erstarben auch sie.
Der kurze heiße Sommer war verglüht und ging zu Ende. Leichte Morgenfröste brachten den ersten Hauch bitterer Kälte auf die Gräser, die weiß überstäubt waren mit winzigen Kristallen. Die einst grünen Wälder flammten rot und braun und golden auf. Dann breiteten erste Schneefälle eine weiße Decke über das Land, die bald darauf von schweren Regengüssen wieder zerfetzt und fortgeschwemmt wurde. Raue Winde raubten den Bäumen das farbenprächtige Blattwerk. Nur noch wenige hartnäckige Blätter klammerten sich an die sonst nackten Äste der Bäume und Büsche, als ein paar sonnenwarme Tage die Clan-Leute den letzten Schimmer des Sommers erleben ließen, ehe die eisigen Winde und klirrende Kältnis sie für lange Zeit in ihre Höhle
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