Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Vergebung bat, und dichter und dichter fielen die Schläge mit beiden Fäusten aus verletzter Eitelkeit. Doch das Mädchen presste die Lippen zusammen, bis sie weiß wurden und schmal wie die Klinge eines Schabers. Alles verschwamm in rötlichem Nebel.
Nach einer Ewigkeit spürte sie, wie Iza sie hochhob und ihr auf die Beine half. Schwer lehnte sie sich gegen die Frau, die sie stützte, und stolperte mühsam in die Höhle zurück. Wellen von Schmerz spülten über sie hin, während sie zwischen Wachsein und Traumhaftem taumelte. Wie von ferne nahm sie wahr, dass Iza ihr Kühlendes auf die Haut legte und ihr den Kopf hielt, damit sie etwas Bitteres trinken konnte, das ihr zu einem tiefen Schlaf verhalf.
Als Ayla erwachte, hob das schwache Licht des neuen Tages die Umrisse alles Vertrauten aus der Dunkelheit. Im Feuer glomm trübe das letzte Holz. Mühsam versuchte sie aufzustehen. Muskeln wie Knochen ihres geschundenen Körpers wehrten sich schmerzhaft dagegen. Ein Stöhnen kam ihr über die Lippen. Und schon war Iza an ihrer Seite, deren Augen den Schmerz und die Sorgen zeigten, die ihr das Herz zerrissen hatten. Das war noch nicht dagewesen im Clan, dass so grausam und ohne Erbarmen gezüchtigt wurde. Noch nicht einmal sie. Iza glaubte fest, dass dieser Broud ihre Ayla getötet hätte, wäre ihm nicht Einhalt geboten worden.
Brun war voll Zorn, jenem eisigen, unbeugsamen Zorn, den alle im Clan fürchteten, so dass sie mit leisen Schritten einher schlichen und um den Clan-Führer einen möglichst großen Bogen machten. Dass Ayla aufmuckte, hatte ihn verärgert, doch dass Broud so aus der Haut gefahren war, hatte ihn zutiefst entsetzt. Gewiss, das Mädchen gehörte bestraft, aber der junge Jäger war dabei völlig außer sich geraten. Nicht einmal auf seinen Befehl hin hatte er von dem Mädchen abgelassen; Brun selbst hatte ihn wegzerren müssen. Schlimmer noch - er hatte wegen einer Frau die Beherrschtheit verloren, sich von einer Frau zu einem Ausbruch blind rasender Wut hinreißen lassen und sich damit der Würde, Mann zu sein, begeben. Noch vor zwei Tagen, nach dem Vorfall auf der Lichtung, war Brun ganz sicher gewesen, Broud hätte sich nun in der Gewalt und beherrschte seine Gefühle. Heute aber hatte er einen Ausbruch gehabt, der in Brun zum erstenmal ernstliche Zweifel erweckte, ob es ratsam war, dem Sohn dereinst die Führung des Clans zu überlassen. Und das traf tief.
Ehe er Broud zu sich kommen ließ, ließ Brun mehrere Tage verstreichen, denn er brauchte Zeit, um im Herzen zur Ruhe zu kommen. Dieses hatte der junge Mann voll banger Beklommenheit erwartet, sich kaum einen Schritt von seinem Feuer entfernt. Beinahe erleichtert folgte er Brun aus der Höhle, auch wenn sein Herz vor Angst ihm bis zum Halse hämmerte.
Klar, einfach, hart und unerbittlich teilten Bruns Hände dem jungen Jäger mit, was ihm in der Zwischenzeit durch den Kopf gegangen war. Er beschuldigte sich, für des Sohnes Versagen durch seine Nachsicht verantwortlich zu sein. Als der ClanFührer dieses ihm dartat, fühlte sich Broud so tief beschämt wie nie zuvor in seinem Leben. Auf eine ganz neue Weise offenbarte sich ihm Bruns Zuneigung und Qual. Ihm gegenüber saß nicht der unnahbare Führer, den Broud geachtet und gefürchtet hatte, sondern ein Mann, der ihn liebte und zutiefst enttäuscht von ihm war. Doch dann sah Broud eine harte Entschlossenheit in Bruns Augen treten. Ein solcher Ausbruch noch, nur noch ein einziger, und Broud wäre nicht mehr des Clan-Führers Sohn. Auch sei er nicht bereit, den Clan der Führung eines Mannes zu übergeben, der nicht einmal fähig sei, über sich selbst zu herrschen. Ein solcher Ausbruch noch, und er würde ihn verstoßen und ihn mit dem Todesfluch beladen lassen. Wenn er ihm, Brun, nicht zeigte, dass ein Mann aus ihm geworden sei, so könnte er nicht glauben, dass Broud fähig wäre, den Clan zu führen und dessen Wohl zu wahren.
Brun deutete auf den vor ihm stehenden Broud: "Mein Blick wird dir folgen, aber auch den anderen Jägern. Ich muss erkennen können, dass du ein Mann bist, Broud. Und wenn ich einen anderen Jäger zum Clan-Führer machen muss, dann wirst du bis zum Ende deines Lebens der niedrigste der Jäger bleiben."
Broud erstarrte. Verstoßen? Zum Tode verflucht? Clan-Führer würde ein anderer? Der niedrigste der Jäger? Lebenslänglich! Er sah in Bruns steinernes Gesicht und wusste, dass es so kommen würde.
Er nickte. Seine Züge waren grau wie Asche.
Brun deutete kurz
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