Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
zur Höhle. "Die anderen sollen nichts davon wissen. Sie würden nur unruhig in ihren Herzen. Du aber zweifle nicht. Es wird geschehen, was beschlossen ist. Und geh jetzt, Broud; ich will allein sein."
Erst nach mehreren Tagen vermochte Ayla wieder aufzustehen, und noch länger dauerte es, ehe die blauen Flecken, die ihren Körper bedeckten, sich gelb färbten und langsam verblichen. Anfangs war sie so verängstigt, dass sie es nicht wagte, Broud auch nur in die Nähe zu kommen, und schreckhaft zusammenfuhr, wenn sie ihn sah. Doch nach und nach erkannte sie mit Staunen, dass etwas an ihm sich verändert hatte. Er gab sich anders, auch ihr gegenüber; vor allem ihr, das spürte sie. Er schlug sie nicht, er knuffte nicht, er hieß sie nicht einmal, ihm rasch zu Willen zu sein. Er ging ihr offensichtlich aus dem Weg. Und als Aylas Schmerzen abgeklungen waren, wuchs in ihr das Gefühl, dass auch dieses sein Gutes gehabt hatte.
Sie lebte leichter und unbeschwerter, seitdem Broud sie nicht mehr ständig quälte, und merkte erst jetzt, wie niedergedrückt sie unter des jungen Jägers Machtfülle gewesen war. Sie ging wie beflügelt mit leichtem Schritt, hielt den Kopf hoch, ließ ihre Arme schwingen und wagte sogar, laut herauszulachen. Iza lächelte in sich hinein, denn sie sah, dass Ayla sich wohl fühlte. Die anderen aber schüttelten befremdet die Köpfe und warfen missfällige Blicke auf sie.
Dass Broud Ayla mied, sahen auch die anderen; sie verwunderten sich und führten bewegte Reden. Gebärden, die das Mädchen hier und da zufällig auffing, wenn die Männer oder Frauen des Clans beieinander saßen, bedeuteten nichts anderes, als dass Brun Broud schlimme Bestrafung angedroht hatte, wenn er sie noch einmal schlagen sollte. Und dieses wurde ihr zur Gewissheit, als sie gewahr wurde, dass der junge Jäger sie selbst dann nicht beachtete, wenn sie mit Bedacht ihn reizte. Anfangs war sie nur ein wenig nachlässig, ohne es heftig zu wollen. Doch dann versuchte sie, Broud herauszufordern, nicht, dass sie grob fahrlässig wurde, sondern mit Kleinigkeiten, die nur der Gegner bemerkte. Sie hasste ihn. Sie wollte Rache nehmen und fühlte sich von Brun geschützt.
Der Clan war klein und englebig, und so sehr sich Broud auch bemühte, diesem hochbeinigen hässlichen Fremdling aus dem Weg zu gehen, es ergab sich immer wieder die Notwendigkeit, ihr dann und wann Befehle erteilen zu müssen. Bewusst bewegte sich Ayla dann noch langsamer. Und wenn sie das Gefühl hatte, dass niemand hersah, hob sie den Blick und starrte ihm frank und frei mitten ins Gesicht, während der junge Jäger um seine Selbstbeherrschung rang. Waren aber andere in der Nähe oder gar Brun, so hielt sie sich zurück. Des Clan-Führers Zorn war noch immer zu fürchten; doch Brouds Unmut hatte für sie jeden Schrecken verloren. Und während der Sommer fortschritt, bot sie ihm immer offener die Stirn.
Unbehagen regte sich erst in ihr, als sie einen Blick von Broud bekam, der blanken Hass zu ihr herüberschickte. Denn sie war schuld an seiner misslichen Lage. Wenn sie nicht so aufsässig gewesen wäre, dann hätte seine Wut ihn nicht überwältigen können. Wenn sie ihn nicht so gereizt hätte, dann brauchte er jetzt nicht zu fürchten, zum Tode verflucht zu werden und der niedrigste im Clan zu bleiben. So unbekümmert wie sie war, so unclanmäßig wie sie sich verhielt, das war doch gegen jeden Brauch! Und warum schritt dagegen niemand ein? Sein Hass häufte sich zu einem Scheiterhaufen, der heißer brannte als zuvor. Aber Broud achtete darauf, das Feuer Brun nicht sehen zu lassen. Dieser Zwist wurde zwar nicht offen ausgetragen und wütete mit verstärkter Leidenschaft, doch so füchsingleich, wie Ayla sich dünkte, dass niemand es merkte, so war sie nicht. Jeder im Clan witterte die tödliche Spannung zwischen ihnen, und alle schüttelten verwundert die Köpfe, weil Brun dem Treiben kein Ende machte. Die Männer richteten sich nach dem Clan-Führer und taten nichts, auch wenn das Gebaren des Mädchens ihnen äußerst missfiel. Doch wurden sie wie die Frauen die Ahnung nicht los, dass sich bald etwas ereignen würde, das ähnlich dem Beben der Erde wäre.
Auch Brun missfiel Aylas Verhalten; ihm waren ihre kleinen Hinterhältigkeiten nicht entgangen, und es verdross ihn, mit ansehen zu müssen, wie Broud ihr alles durchgehen ließ. Sich aufzulehnen gegen den Brauch, sei es von Seiten eines Mannes oder einer Frau, war unerlaubt und wurde nicht geduldet. Er sah
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