Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Baby, als er älter wurde, dazu, sich möglichst von Winnies Platz in der Höhle fernzuhalten; er erkannte ihn instinktiv als Winnies Revier an, und Ayla fragte sich, was ihn wohl dorthin getrieben hatte. Sie ging nachsehen und wurde sich eines starken Geruchs bewußt, den sie unbestimmt schon den ganzen Vormittag über in der Nase gehabt hatte. Den Kopf gesenkt und die Hinterhand gespreizt, stand Winnie da und hielt den Schweif zur Seite. Ihre Scheide war geschwollen und pulsierte. Sie sah Ayla an und stieß einen winselnden Laut aus.
Rasch nacheinander durchlebte Ayla eine ganze Reihe unterschiedlicher Empfindungen. Zuerst war es Erleichterung. Das also ist dein Problem. Ayla wußte um die periodische Brunst bei Tieren. Bei manchen kam es häufiger zu Paarungszeiten, doch bei Weidetieren war einmal im Jahr die Regel. Das war die Zeit, in der die männlichen Tiere um das Recht zur Paarung kämpften und in der ausnahmsweise männliche und weibliche Tiere zusammenblieben, selbst diejenigen, die für gewöhnlich unabhängig voneinander jagten oder sonst rein weibliche oder männliche Herden bildeten.
Die Paarungszeit war einer jener geheimnisvollen Bereiche tierischen Verhaltens, die Ayla verwirrten – so wie das Abwerfen des Geweihs und das Nachwachsen größerer Geweihe. Sie gehörte zu jenen Dingen, die Creb veranlaßt hatten, sich darüber zu beschweren, sie stelle zu viele Fragen. Auch er wußte nicht, warum Tiere sich paarten, obwohl er einmal gemeint hatte, es sei die Zeit, in der die Männchen zu erkennen gaben, daß sie über die Weibchen herrschten oder vielleicht – wie bei ihresgleichen – die Männer ihre Bedürfnisse befriedigen müßten.
Winnie war schon im vergangenen Frühling rossig gewesen, allerdings zu einer Zeit, da sie – obgleich sie einen Hengst oben auf der Steppe hatte wiehern hören – es noch nicht geschafft hatte, zu ihm hinaufzukommen. Auch schien der Drang bei Winnie diesmal größer zu sein. Jedenfalls erinnerte Ayla sich nicht, daß die Scheidenschwellung so deutlich, sichtbar gewesen wäre oder daß sie solche winselnden Töne von sich gegeben hätte. Winnie ließ das Streicheln und Umarmen der Frau über sich ergehen; doch dann senkte die Stute wieder den Kopf und winselte.
Plötzlich verkrampfte Aylas Magen sich vor Angst. Sie lehnte sich gegen das Pferd, so wie Winnie sich manchmal an sie anlehnte, wenn sie durcheinander war oder Angst hatte. Winnie würde sie verlassen! Das kam völlig unerwartet. Ayla hatte keine Zeit gehabt, sich darauf einzustellen, obwohl sie das hätte tun sollen. Sie hatte über Babys Zukunft nachgedacht und über ihre eigene. Statt dessen war für Winnie die Paarungszeit gekommen. Die Jungstute brauchte einen Hengst.
Äußerst widerstrebend ging Ayla zur Höhle hinaus und gab Winnie zu verstehen, sie solle ihr folgen. Als sie den steinübersäten Uferstreifen unten erreichten, saß Ayla auf. Baby erhob sich und wollte ihnen folgen, doch machte Ayla die »Aufhörens«-Gebärde. Sie wollte den Höhlenlöwen diesmal nicht dabeihaben. Sie hatte nicht vor zu jagen, doch woher sollte Baby das wissen? Ayla mußte dem Löwen noch einmal sehr nachdrücklich Einhalt gebieten, ehe er zurückblieb und ihnen nachsah.
Auf der Steppe war es warm und klamm zugleich. Die Sonne hatte ihren mittäglichen Höchststand noch lange nicht erreicht und schien von einem Dunstschleier umgeben aus einem blaßblauen Himmel herunter. Das Himmelsblau wirkte verschossen, ja ausgebleicht, so grell leuchtete die Sonne. Schnee verdampfte zu einem feinen Dunst, der die Sicht nicht beeinträchtigte, aber alle Konturen weich machte; Nebel, der sich im kühleren Schatten hielt, nahm allem seine sonstige Schärfe. Die Perspektive ging verloren und die ganze Sicht war verkürzt – und all das verlieh der Landschaft ein größere Unmittelbarkeit, ein Gefühl von größerer Gegenwärtigkeit, gleichsam als gäbe es nichts anderes als das Hier und das Jetzt. Fernes schien nur wenige Schritte entfernt, und doch dauerte es ewig, es zu erreichen.
Ayla lenkte das Pferd nicht in eine bestimmte Richtung. Sie ließ Winnie sich selbst ihren Weg suchen und nahm nur unterschwellig Richtung und auffällige Merkmale auf, um sich an ihnen zu orientieren. Ihr war es egal, wohin sie ritten, und sie merkte nicht, daß die salzige Feuchtigkeit ihrer Tränen noch zu der allgemeinen Feuchtigkeit hinzukam. Schlaff auf dem Pferderücken schaukelnd, war ihr Blick nach innen gerichtet. Sie erinnerte sich an das
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