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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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der Geschmack ein ganz anderer war, wußte er doch die Feinheiten gut zubereiteten Essens zu schätzen.
    Es gefiel Ayla, daß er sich die Zeit nahm, das Essen zu genießen. Als er fertig war, brachte sie ihm einen Becher Pfefferminztee und schickte sich an, die Verbände zu erneuern. Die Kompresse seitlich am Kopf ließ sie ganz fort. Die Schwellung war zurückgegangen; es tat nur noch ein bißchen weh. Die Krallenkratzer auf der Brust und an den Armen verheilten. Vielleicht behielt er ein paar helle Narben zurück, doch Behinderungen keine. Was heikel war, das war sein Bein. Ob es wohl richtig verheilte? Ob er es wieder würde gebrauchen können wie früher? Oder nur zum Teil? Oder ob er zum Krüppel wurde?
    Sie nahm den Breiumschlag fort und stellte erleichtert fest, daß die Blätter des Wildkohls die Entzündung ihrer Hoffnung entsprechend zurückgedrängt hatten. Das Bein sah entschieden besser aus, wenn es auch zu früh war zu sagen, wie weit er es wieder würde gebrauchen können. Die klaffende Wunde mit Hilfe der Sehne zu schließen, war offensichtlich richtig gewesen. Wenn man bedachte, wie groß der Schaden gewesen war, sah das Bein fast so aus wie zuvor. Nur würden Narben zurückbleiben, vielleicht auch eine gewisse Verformung – trotzdem war sie sehr zufrieden.
    Es war das erstemal, daß Jondalar sich sein Bein wirklich ansah, und er war natürlich alles andere als erfreut. Es sah schlimmer aus, als er gefürchtet hatte. Er wurde kalkweiß, als er es sah, und mußte ein paarmal schlucken. Jetzt begriff er auch, was sie mit den Fäden und den Knoten zu tun versucht hatte. Möglich, daß das half; trotzdem fragte er sich, ob er wohl jemals wieder imstande sein würde zu laufen.
    Er redete zu ihr und fragte sie, wo sie denn die Heilkunst erlernt hätte, erwartete aber keine Antwort von ihr. Sie erkannte nur ihren Namen wieder, sonst nichts. Sie wollte ihn bitten, ihr die Bedeutung der einzelnen Wörter beizubringen, die er benutzte, wußte jedoch nicht, wie sie das anstellen sollte. Sie ging hinaus, um etwas Holz fürs Feuer zu holen, und fühlte sich frustriert, Sie hungerte förmlich danach, sprechen zu lernen, doch wie sollte sie einen Anfang damit machen?
    Er dachte an das Essen, das er gerade genossen hatte. Wer immer sie verproviantierte, er machte seine Sache gut; aber sie war offensichtlich durchaus imstande, für sich selbst zu sorgen. Die Beeren, die Distelstengel und die Forelle waren frisch gewesen. Die Körner mußten allerdings schon vom vorigem Herbst stammen, waren also offensichtlich vom Wintervorrat übriggeblieben. Das wiederum verriet, daß sie zu planen und ihre Vorräte einzuteilen verstand; sie war also gegen den Hunger im Winter oder im zeitigen Frühjahr gewappnet. Es bedeutete aber auch, daß das Gebiet offensichtlich gut bekannt und daher schon seit geraumer Zeit besiedelt war. Auch manches andere deutete darauf hin, daß die Höhle schon seit längerem benutzt wurde: der Ruß um den Rauchabzug herum, vor allem aber der festgetretene Boden.
    Zwar war sie wohlversorgt mit Einrichtungsgegenständen und Gerätschaften, doch bei genauerem Hinsehen erkannte er, daß Ornamente und Schnitzereien an ihnen fast vollständig fehlten und sie überhaupt sehr primitiv waren. Er betrachtete den Holzbecher, aus dem er seinen Tee getrunken hatte. Nein, nicht primitiv, dachte er. Im Gegenteil: sehr fein gearbeitet. Nach der Maserung zu urteilen, war der Becher offensichtlich aus einem knorrigen Stück Holz geschnitzt. Als Jondalar ihn ganz genau untersuchte, meinte er festzustellen, daß die besondere Form gewissen durch die Maserung vorgegebenen Linien folgte; man konnte sich leicht vorstellen, aus den Knoten und Windungen das Gesicht eines kleinen Tiers herauszusehen. Ob sie das absichtlich getan hatte? Sehr fein gemacht, jedenfalls. Der Becher gefiel ihm besser als manches Gebrauchsgerät mit sehr viel plumperen Schnitzereien darauf, die er schon gesehen hatte.
    Der Becher selbst war tief, wies einen schwellenden Rand auf, war ebenmäßig und sehr fein geschliffen. Selbst das Innere wies keinerlei Meißelspuren auf. Ein knorriges Stück Holz war besonders schwer zu bearbeiten; um diesen Becher zu fertigen, mußte sie viele Tage gebraucht haben. Je genauer er ihn betrachtete, desto mehr ging ihm auf, daß es sich bei dem Becher um ein sehr schönes und in seiner Schlichtheit betörendes Stück Handwerksarbeit handelte. Marthona würde ihre helle Freude daran haben, dachte er und erinnerte sich

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