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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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wissen, worüber er sich beschwerte – und konnte das gut verstehen. »Knoten«, sagte sie und berührte einen der Fäden. »Knoten aufmachen. Morgen Bein sehen.«
    Er lächelte, als ob er einen Sieg errungen hätte. »Du wirst die Fäden herausholen, und dann kann ich morgen früh die Höhle verlassen.«
    Mochten die Sprachprobleme auch weiterhin bestehen – Ayla war nicht gewillt, sich zu mehr zu verpflichten, als sie beabsichtigt hatte. »Sehen«, wiederholte sie eindringlich. »Ayla nachsehen …« Sie rang damit, sich bei ihren beschränkten Fähigkeiten auszudrücken. »Bein nicht heil … Dondo-lah nicht raus.«
    Wieder lächelte Jondalar. Er wußte, daß er mehr gesagt hatte, als sie auszudrücken gemeint hatte. Er hatte insgeheim gehofft, daß sie einverstanden sein würde, doch freute er sich jetzt, daß sie sich durch seinen Trick nicht hatte hereinlegen lassen und darauf bestand, sich genau auszudrücken. Es war möglich, daß er die Höhle auch morgen noch nicht verlassen durfte, doch bedeutete das auch, daß sie schneller lernen würde.
    Ihr das Sprechen beizubringen, war eine Herausforderung für ihn, und ihre Fortschritte machten ihm Freude, auch wenn sie recht ungleichmäßig waren. Ihr Wortschatz war bereits erstaunlich groß; sie konnte die Wörter offensichtlich ebenso rasch behalten, wie er sie ihr nannte. Den größten Teil des Nachmittags hatte er damit verbracht, ihr die Bezeichnungen von allem möglichen zu nennen, das ihm einfiel, und als sie fertig waren, wiederholte sie die Wörter und brachte sie unweigerlich mit den dazugehörigen Dingen in Verbindung. Schwierig war für sie nur die Aussprache. Manche Laute konnte sie einfach nicht hervorbringen, mochte sie sich noch soviel Mühe geben – und das tat sie wirklich.
    Gleichwohl gefiel ihm ihre Sprechweise. Sie hatte eine angenehme tiefe Stimme, und die merkwürdige Aussprache verlieh dem Ganzen einen exotischen Reiz. Er beschloß, die Art und Weise, wie sie die Wörter zusammenstellte, vorläufig nicht zu verbessern. Die richtige Ausdrucksweise konnte später kommen. Ihre eigentliche Schwierigkeit wurde deutlicher, als sie zu Wörtern übergingen, die nicht mit irgendwelchen Dingen oder Tätigkeiten gleichzusetzen waren. Selbst die einfachsten abstrakten Vorstellungen stellten ein Problem für sie dar – sie wollte ein besonderes Wort für jede Farbschattierung und hatte Schwierigkeiten, sich damit abzufinden, daß das Dunkelgrün der Fichtennadeln und das Hellgrün der Weidenblätter mit ein und demselben Wort – grün – bedacht werden sollten. Vollzog sie dann einmal eine Abstraktion nach, schien das wie eine Offenbarung für sie zu sein, oder die Erinnerung an etwas lang Vergessenes.
    Einmal machte er eine schmeichelhafte Bemerkung über ihr phänomenales Gedächtnis, doch hatte sie offenbar Schwierigkeiten, das zu verstehen – oder ihm zu glauben.
    »Nein, Don-da-lah. Ayla nicht gut erinnern. Ayla versuchen, kleines Mädchen Ayla wünschen gutes … Gedächtnis. Nicht gut. Versuchen, versuchen, immer wieder versuchen.«
    Jondalar schüttelte den Kopf und wünschte, seine Merkfähigkeit wäre so gut wie ihre – oder sein Wunsch zu lernen genauso ausgeprägt und hartnäckig wie der ihre. Obwohl er Tag für Tag Fortschritte sah, war sie nie zufrieden. Doch je größer ihre Fähigkeit, sich miteinander zu verständigen, wurde, desto tiefer wurde für ihn ihr Geheimnis. Je mehr er über sie erfuhr, desto brennender die Fragen, die er gern von ihr beantwortet haben wollte. In mancher Beziehung war sie unglaublich geschickt und wußte auch viel, in anderer war sie völlig naiv und unwissend – und er war sich nie sicher, woran er denn war. Manche ihrer Fertigkeiten – wie zum Beispiel die des Feuermachens – überstiegen alles, was er bisher erlebt hatte; andere wiederum waren primitiv, daß es nicht zu glauben war.
    Eines jedoch bezweifelte er keinen Augenblick: Ob nun Menschen ihres Stammes in der Nähe waren oder nicht, sie war durchaus imstande, für sich selbst zu sorgen. Und für ihn obendrein, dachte er, als er die Decke beiseiteschlug, um sein verletztes Bein zu betrachten.
    Ayla hatte eine entzündungshemmende Lösung bereitstehen, war jedoch nervös, als sie sich anschickte, die Fäden herauszuholen, die das Fleisch zusammenhielten. Zwar meinte sie nicht, daß die Wunde wieder aufplatzen würde – sie schien recht gut zu verheilen –, aber sie war diese Art des Vorgehens nicht gewohnt und war sich einfach nicht sicher.

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