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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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Sie hatte schon seit Tagen daran gedacht, die Fäden herauszuziehen, doch hatte es Jondalars Beschwerde bedurft, daß sie sich endlich dazu durchrang, es nun auch zu tun.
    Die junge Frau beugte sich über das Bein und betrachtete die Fäden sehr eingehend. Vorsichtig zupfte sie an einem der verknoteten Sehnenstücke. Haut hatte sich daran festgesetzt und wurde mit hochgezogen. Sie überlegte, ob sie wirklich solange hätte warten sollen, doch war es jetzt zu spät, sich deshalb Sorgen zu machen. Sie hielt den Knoten mit den Fingern fest und durchtrennte dann mit einem scharfen Messer – einem bisher noch nie benutzten – die Sehne so nahe am Knoten wie möglich. Als sie versuchsweise zog, stellte sie fest, daß die Sehne sich doch nicht so leicht herausziehen ließ, wie sie es sich vorgestellt hatte. Schließlich nahm sie den Knoten zwischen die Zähne und riß ihn mit einem raschen Ruck heraus.
    Jondalar zuckte zusammen. Sie bedauerte, ihm Unbehagen bereitet zu haben, doch klaffte kein Spalt. Ein kleines bißchen Blut sickerte hervor, wo die Haut ein wenig eingerissen war, doch Muskeln und Fleisch hielten zusammen. Etwas Unannehmlichkeit war ein geringer Preis dafür. Sie zog die restlichen Fäden, so rasch sie konnte, und Jondalar biß die Zähne zusammen und ballte die Hände zur Faust, um nicht jedesmal loszuheulen, wenn sie einen herauszog. Beide steckten sie die Köpfe zusammen, um das Ergebnis zu begutachten.
    Ayla kam zu dem Schluß, daß – falls es nicht zu einer Verschlechterung kam – sie ihm gestatten könnte, das Bein zu belasten und nach draußen vor die Höhle zu gehen. Sie nahm Messer und Schale mit der entzündungshemmenden Lösung fort und wollte aufstehen. Jondalar ließ das nicht zu.
    »Läßt du mich das Messer mal sehen?« bat er und zeigte darauf. Sie gab es ihm und sah zu, während er es eingehend betrachtete.
    »Das ist ja aus einem Splitter gemacht! Und hat nicht einmal eine richtige Klinge. Es ist mit einigem Geschick gemacht, aber auf eine so primitive Weise. Nicht mal ein Griff ist daran – nur einfach oben abgeplattet, damit du dich nicht schneidest. Woher hast du dies, Ayla? Wer hat dieses Messer gemacht?« »Ayla machen.«
Sie wußte, daß er Bemerkungen über die Qualität und die
    handwerkliche Verarbeitung machte, und wollte ihm erklären, daß sie nicht so geschickt sei wie Droog; gleichwohl hätte sie vom besten Werkzeugmacher des Clans gelernt. Jondalar betrachtete das Messer von allen Seiten und schien offensichtlich überrascht. Sie hätte gern über die Vorzüge dieses Mannes geredet und über die Qualität des Feuersteins, konnte es jedoch nicht. Dazu war ihr Wortschatz doch noch zu beschränkt, schaffte sie es noch nicht, sich abstrakt auszudrücken. Es war schon quälend.
    Sie sehnte sich danach, mit ihm zu reden – über alles. Wie lange war es her, daß sie jemand gehabt hatte, mit dem sie sich austauschen konnte; sie hatte ja gar nicht gewußt, wie sehr ihr das gefehlt hatte, bis Jondalar gekommen war. Ihr war, als sei ihr ein Fest bereitet, daß sie einen Heißhunger hätte und alles verschlingen wollte – und doch nur davon kosten konnte.
    Jondalar gab ihr das Messer zurück und schüttelte verwundert den Kopf. Es war scharf und erfüllte gewiß seinen Zweck, aber es stachelte seine Neugier nur an. Sie war so gut ausgebildet wie nur je eine Zelandoni und bediente sich fortgeschrittener Techniken – wie zum Beispiel der Technik des Wundvernähens –, verwendete dabei aber solch ein primitives Messer. Wenn er sie nur fragen und sich verständlich machen könnte! Und wenn sie es ihm nur sagen könnte! Ja, warum konnte sie denn nicht reden? Sie lernte doch jetzt so schnell. Warum hatte sie es nicht früher schon gelernt? Daß Ayla möglichst schnell sprechen lernte, war etwas, worin sie beide ihren Ehrgeiz setzten.
    Jondalar wurde zeitig wach. In der Höhle war es noch dunkel, doch der Eingang und das Loch oben ließen das tiefe Blau des Himmels kurz vorm Morgengrauen erkennen. Während er hinsah, wurde es merklich heller, und nach und nach traten alle Höcker und Mulden der Höhlenwand zum Vorschein. Schloß er die Augen, konnte er sie genauso sehen; sie waren in seinem Gedächtnis eingegraben. Er mußte endlich hinaus und etwas anderes sehen. Seine Erregung wuchs; bestimmt würde es heute soweit sein. Er konnte es kaum abwarten und wollte die Frau, die neben ihm schlief, schon wachrütteln. Doch ehe er sie anfaßte, hielt er inne; dann besann er sich eines

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