Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
war an der Zeit, ihn aufstehen zu lassen und zu sehen, wie weit er behindert war. »Ja, Don-da-lah rausgehen.«
Seine jungenhafte Begeisterung war ansteckend. Sie erwiderte sein Lächeln, versuchte aber dennoch ihn zurückzuhalten. »Don-da-lah erst essen.«
Es dauerte nicht lange, das Frühstück aus jenen Lebensmitteln zu bereiten, die sie schon am Abend zuvor vorbereitet hatte, und den Tee aufzubrühen. Ayla brachte Winnie Körner hinüber und verbrachte ein paar Augenblicke damit, sie mit einer Kardendistel zu striegeln und auch das kleine Hengstfohlen damit zu bearbeiten. Jondalar sah ihr dabei zu. Es war nicht das erste Mal, daß er sie beobachtete, doch diesmal erlebte er zum ersten Mal, daß er sie dabei ertappte, wie sie einen Laut ausstieß, der einem leisen Wiehern erstaunlich ähnlich war. Hinzu kamen noch ein paar abgehackte, kehlige Laute. Ihre Handbewegungen bedeuteten ihm nichts – er sah sie gar nicht, wußte nicht, daß sie ein unabdingbarer Teil der Sprache waren, mit dem sie sich dem Pferd verständlich machte – wußte aber wohl, daß sie auf irgendeine unbegreifliche Weise mit dem Pferd redete. Nicht minder stark war sein Eindruck, daß das Tier sie zu verstehen schien.
Während sie die Stute und ihr Füllen streichelte, überlegte er, welchen Zauber sie wohl benutzt haben mochte, um die Tiere einzufangen. Er kam sich selbst sogar ein wenig gefangen vor, doch war er überrascht und entzückt, als sie das Pferd und das Füllen zu ihm brachte. Er hatte nie zuvor ein lebendiges Pferd gestreichelt und war auch einem Füllen mit zottigem Fell nie so nahe gewesen, doch was ihn überwältigte, war, daß sie nicht die geringste Furcht bekundeten. Insbesondere das Füllen schien sich von ihm angezogen zu fühlen, nachdem seine ersten vorsichtigen Berührungen zu Streicheln und Kraulen führten, und das unweigerlich genau an den richtigen Stellen.
Ihm fiel ein, daß er ihr die Bezeichnung für das Tier noch nicht genannt hatte, zeigte auf die Stute und sagte: »Pferd.«
Aber Winnie besaß bereits einen Namen ohne Laute, genauso wie sie und er. Ayla schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie, »Winnie.«
Für ihn ergab dieser Klang keinen Namen – sondern stellte die vollkommene Nachbildung eines Pferdewieherns dar. Er war verblüfft. Eine menschliche Sprache sprach sie nicht, wohl aber konnte sie reden wie ein Pferd? Einem Pferd etwas sagen? Er wurde von Ehrfurcht ergriffen: Das war in der Tat ein mächtiger Zauber!
Sie nahm seinen benommenen Ausdruck irrtümlich für ein Zeichen, daß er nicht verstanden habe. Daraufhin berührte sie ihre Brust, sprach ihren Namen aus, versuchte zu erklären. Dann zeigte sie auf ihn und sprach seinen Namen aus. Dann deutete sie auf das Pferd und ließ wieder das leise Wiehern vernehmen.
»Heißt das Pferd so, Ayla? Einen solchen Laut kann ich nicht machen. Ich verstehe mich nicht darauf, mit Pferden zu sprechen.«
Nach einer zweiten, etwas geduldigeren Erklärung machte er einen Versuch, nur – was dabei herauskam, war mehr ein gewieherähnliches Wort. Doch das schien sie zufriedenzustellen, und sie führte die beiden Pferde zurück an den Platz der Stute. »Er bringt mir Wörter bei, Winnie. Ich werde alle seine Wörter lernen. Nur mußte ich ihm sagen, wie du heißt. Und für dein Kleines werden wir uns einen Namen ausdenken … Ob es ihm wohl Freude machen würde, deinem Füllen einen Namen zu geben?«
Jondalar hatte von gewissen Zelandonii gehört, die die Gabe besitzen sollten, den Jägern Tiere herbeizulocken. Manche Jäger verstanden sich sogar darauf, die Laute bestimmter Tiere nachzuahmen, die ihnen halfen, näher heranzukommen. Doch von einem, der mit einem Tier reden konnte oder eines bewogen hatte, mit ihm zu leben, hatte er noch nie gehört. Was sie anging, so hatte eine Wildstute direkt vor seinen Augen gefohlt und hatte ihn sogar dieses Fohlen berühren lassen. Es traf ihn wie mit einem plötzlichen Schlag, mit Erstaunen und ein bißchen Furcht, was diese Frau getan hatte. Wer war sie? Und welche Art Magie besaß sie? Doch als sie mit einem glücklichen Lächeln auf ihrem Gesicht auf ihn zuging, schien sie nichts mehr zu sein als eine ganz gewöhnliche Frau. Eine ganz gewöhnliche Frau, die mit Pferden, aber nicht mit Menschen sprechen konnte.
»Don-da-lah gehen raus?«
Er hatte es fast vergessen. Bevor sie bei ihm war, versuchte er aufzustehen. Seine Begeisterung schwand. Er war schwach und jede Bewegung schmerzte ihn. Benommenheit und Übelkeit kamen
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