Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
daß ich um ihn getrauert habe, obwohl ich ihn nicht gekannt habe.
Ich kenne die Menschen nicht, denen ich geboren wurde. Ich muß eine Mutter und eine Familie gehabt haben, die aussahen wie ich … und du. Doch ich kenne sie nur unter dem Namen ›die Anderen‹. Iza ist die einzige Mutter, an die ich mich erinnere. Sie hat mich die Zauberkraft der Heilkunst gelehrt und eine Medizinfrau aus mir gemacht. Doch sie ist jetzt tot. Auch Creb ist tot.
Ach, Jondalar, wie sehr es mich danach verlangt, dir von Iza, Creb und Durc zu berichten …« Sie hielt inne und holte tief Atem. »Auch mein Sohn ist von mir fortgegangen, aber er lebt. Soviel ist mir also noch geblieben. Und jetzt hat der Höhlenlöwe dich zu mir gebracht. Ich hatte Angst, daß die Männer von den Anderen so wären wie Broud, doch du bist mehr wie Creb, behutsam und geduldig. Ich würde mir gern vorstellen, daß du mein Gefährte wirst. Als du herkamst, dachte ich, du wärest deswegen hergebracht worden. Das habe ich wohl geglaubt, weil ich mich so sehr nach Gesellschaft gesehnt habe, und du bist der erste Mann von den Anderen, den ich gesehen habe … zumindest, soweit ich mich erinnere. Zu Anfang wäre es gleichgültig gewesen, wer du warst. Ich wollte dich zum Gefährten, bloß um überhaupt einen Gefährten zu haben.
Jetzt ist es aber nicht mehr dasselbe. Jeden Tag, den du hier bist, wächst mein Gefühl für dich. Ich weiß, Andere sind nicht allzu fern, und es muß andere Männer geben, die mein Gefährte werden könnten. Aber ich möchte keine anderen, habe aber Angst, daß du nicht hierbleiben möchtest, wenn du erstmal wieder ganz gesund bist. Da fürchte ich, dich zu verlieren. Ich möchte dir sagen, daß ich … daß ich so unendlich froh über dein Hiersein bin, daß ich es manchmal nicht ertragen kann.« Unfähig weiterzusprechen, hielt sie inne, hatte aber gleichwohl unbestimmt das Gefühl, noch nicht fertig zu sein.
Ihre Gedanken waren dem Mann, der ihr zusah, nicht gänzlich unverständlich. Ihre Gesten – nicht nur die Handbewegungen, sondern auch ihr Mienenspiel, der Ausdruck ihrer Augen und ihres ganzen Körpers – waren so ausdrucksvoll, daß es ihn tief anrührte. Sie erinnerte ihn an einen schweigenden Tänzer – nur, daß sie zwischendurch rohe Laute ausstieß, die merkwürdigerweise sehr gut zu den Bewegungen paßten, die sie machte. Er nahm nur gefühlsmäßig auf und konnte nicht ganz glauben, daß sie wirklich vermittelte, was er empfand – doch dann hielt sie inne, und da wußte er, daß sie sich in der Tat mitgeteilt hatte. Er wußte auch, daß ihre Bewegungs- und Gebärdensprache nicht einfach, wie er ursprünglich gemeint hatte, eine Erweiterung von Gebärden waren, wie er sie bisweilen gebrauchte, um etwa seine Worte zu unterstreichen. Vielmehr schien es so zu sein, daß die Laute, die sie ausstieß, dazu dienten, ihre Gebärden zu unterstreichen.
Nachdenklich schweigend stand sie eine Weile da. Dann sank sie anmutig zu seinen Füßen zu Boden und senkte den Kopf. Er wartete, doch da sie sich nicht rührte, befiel ihn Unbehagen. Sie schien auf ihn zu warten, und das vermittelte ihm das Gefühl, als ob sie ihm huldigte. Der Großen Erdmutter gegenüber war eine solche Ehrerbietung durchaus angebracht, nur wußte man, daß Sie eifersüchtig war und nicht gern sah, wenn einem Ihrer Kinder eine Verehrung zuteil wurde, die eigentlich Ihr gebührte.
Schließlich beugte er sich hinunter und berührte sie am Arm. »Steh auf, Ayla. Was machst du da?«
Die Berührung des Arms war zwar nicht genau dasselbe wie ein Klopfen ihrer Schulter, doch kam er damit für ihr Gefühl dem Clanszeichen zu sprechen so nahe, wie er nur konnte. Sie sah zu dem Sitzenden auf.
»Clans-Frau sitzen, wollen sprechen. Ayla wollen sprechen Jondalar.«
»Du brauchst aber nicht auf dem Boden zu sitzen, wenn du mit mir reden willst.« Er streckte die Hand aus und versuchte, sie hochzuheben.
Sie jedoch wollte unbedingt dort sitzenbleiben. »So machen im Clan.«
Mit der Bitte, sie doch zu verstehen, sah sie ihn an. »Ayla wollen sagen …« Tränen der Verzweiflung stiegen ihr in die Augen. Sie fing noch einmal von vorn an. »Ayla nicht gut sprechen. Ayla wollen sagen, Jondalar geben Ayla Sprache, wollen sagen …«
»Willst du mir etwa danken?«
»Was ›danken‹?«
Er hielt inne. »Du hast mir das Leben gerettet, Ayla. Du hast dich meiner angenommen, hast meine Wunden versorgt, mir zu essen gegeben. Und dafür möchte ich dir danken. Sogar noch mehr als nur
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