Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
sie meinte, auf einmal fortschaffen zu können. Sie schleifte es hinunter zum Strand, legte Holz nach und warf ihre Ausbeute so nahe ans Feuer auf den Boden, wie sie konnte. Das leere Fell hinter sich herziehend, lief sie zurück, betätigte jedoch ihre Schleuder und ließ die Steine sausen, noch ehe sie die Grube erreicht hatte. Sie hörte einen Fuchs aufjaulen und sah, wie er davonhinkte. Wären ihr nicht die Steine ausgegangen, sie hätte einen erlegt. Sie sammelte Wurfgeschosse am steinigen Ufer des Flußes und löschte ihren Durst, ehe sie sich wieder ans Werk machte.
Der Stein traf und erwies sich als tödlich für den Vielfraß, der mutig der Hitze des Feuers getrotzt hatte und versuchte, sich mit einem großen Fleischklumpen davonzuschleichen, als Ayla mit ihrer zweiten Ladung zurückkam. Sie schleifte ihr Fleisch ans Feuer, holte sich dann den Vielfraß und hoffte, die Zeit zu finden, auch ihn abzubalgen. Vielfraßfelle waren im Winter besonders nützlich. Sie legte noch mehr Holz aufs Feuer und betrachtete besorgt den Stapel Treibholz.
Weniger Glück hatte sie bei ihrer Rückkehr zur Grube mit einer Hyäne, die es schaffte, mit einem ganzen Schenkel zu flüchten. Seit ihrem Eintreffen im Tal hatte sie nicht so viele Fleischfresser gesehen. Füchse, Hyänen und Vielfraße hatten Geschmack an ihrer Beute gefunden. Wölfe und ihre wilderen Verwandten, die Wildhunde, umschlichen sie gerade außerhalb der Reichweite ihrer Schleuder. Falken und Gabelweihen erwiesen sich als mutiger, hüpften beiseite und schlugen nur ein paarmal mit den Flügeln, als sie näherkam. Sie war darauf gefaßt, jeden Augenblick einen Luchs, einen Leoparden oder sogar einen Höhlenlöwen auftauchen zu sehen.
Als sie endlich das völlig verdreckte Fell aus der Grube herausziehen konnte, hatte die Sonne den Zenit bereits überschritten und befand sich auf dem Abstieg, doch Ayla gab ihrer Müdigkeit erst nach, nachdem sie ihre letzte Ladung an den Fluß hinuntergeschleift hatte. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und den ganzen Tag über keinen Bissen zu sich genommen; und wollte kein Glied mehr rühren. So waren es ausgerechnet die kleinsten Lebewesen, die nach ihrem Anteil an Aylas Beute dafür sorgten, daß sie doch wieder hochkam. Die summenden Fliegen brachten ihr zum Bewußtsein, wie verdreckt sie war; und sie stachen. Sie zwang sich in die Höhe und watete, ohne sich erst auszuziehen, in den Fluß hinein; dankbar ließ sie sich von den Fluten umspülen.
Das Bad im Fluß erfrischte sie. Hinterher ging sie hinauf zu ihrer Höhle, breitete ihre Sommersachen zum Trocknen aus und wünschte, sie hätte daran gedacht, ihre Schleuder aus dem Leibriemen zu ziehen, ehe sie ins Wasser hineingegangen war. Jetzt fürchtete sie, daß sie durch das Trocknen steif werden würde. Sie hatte keine Zeit, das Leder zu walken und weichzuhalten. Sie zog ihren Umhang über und holte ihr Schlaffell aus der Höhle. Ehe sie wieder hinunterstieg zum Fluß, blickte sie vom Rand des Felssimses vor der Höhle über das grasbewachsene Tal dahin. In der Nähe der Fallgrube waren Geräusche und Bewegung zu erkennen, doch die Pferde hatten sich ganz aus dem Tal zurückgezogen.
Plötzlich fielen ihr ihre Speere ein. Die lagen immer noch auf dem Boden, wo sie sie niedergelegt hatte, nachdem sie sie aus der Stute herausgezogen hatte. Sie ging mit sich zu Rate, ob sie hingehen und sie holen sollte und war fast schon im Begriff, sich dagegen zu entscheiden, als ihr klar wurde, daß es besser sei, zwei völlig intakte gute Speere zu haben als später gezwungen zu sein, sich neue zu machen. Sie hob ihre feuchte Schleuder auf, ließ ihr Fell auf den Strand fallen und blieb stehen, um sich einen Beutel Wurfgeschosse zusammenzusuchen.
Als sie sich der Fallgrube näherte, war ihr, als ob sie die Folgen ihrer Schlächterei zum ersten Mal sähe. Der Wall aus Strauchwerk war an manchen Stellen zusammengestürzt. Die Fallgrube stellte eine klaffende Wunde im Boden dar, das Gras war zertrampelt. Blut, Fleischfetzen und Knochen waren überall verstreut. Zwei Wölfe stritten sich knurrend um den Kopf der Stute. Jungfüchse balgten sich jaulend um ein Vorderbein, an dem noch der Huf zu erkennen war, während eine Hyäne sie argwöhnisch beäugte. Ein Schwarm Gabelweihen flog bei ihrem Näherkommen auf, doch ein Vielfraß am Rande der Grube rührte sich nicht vom Fleck. Was auffiel, war, daß die Katzen noch nicht da waren.
Ich sollte mich beeilen, dachte sie, als sie den
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