Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Habseligkeiten hinter mir. Außerdem ist das Wasser kalt. Nur die Strömung bewahrt den Fluß vorm Zufrieren. Heute morgen hatte sich am Ufer Eis gebildet. Und was ist, wenn wir uns im Geäst eines entwurzelten Baums verfangen? Dann würden wir stromabwärts getrieben und vielleicht unter Wasser gezogen.«
»Erinnerst du dich an die Leute, die nahe dem Großen Wasser leben? Die höhlen den Stamm großer Bäume aus und benutzen sie, um Flüsse zu überqueren. Vielleicht könnten wir …«
»Dann zeig mir einen Baum hier in der Gegend, der groß genug wäre«, sagte Jondalar und zeigte mit ausholender Gebärde auf die grasbewachsene Ebene mit den wenigen verkrüppelten Bäumen darauf.
»Hm … jemand hat mir von einer anderen Höhle erzählt, die Schalen aus Birkenrinde machen … nur kommt mir das viel zu dünn und zerbrechlich vor.«
»Ich habe so etwas zwar schon gesehen, aber ich habe keine Ahnung, wie sie gemacht werden oder welche Art Leim sie benutzten, um sie abzudichten. Außerdem wuchsen die Birken bei ihnen größer, als ich sie je woanders gesehen habe.«
Thonolan sah sich suchend um und zerbrach sich den Kopf über eine andere Möglichkeit, die sein Bruder mit seiner unerschütterlichen Logik nicht einfach beiseitefegen konnte. Er entdeckte einen Hain gerade gewachsener, hoher Erlen auf einem Erdbuckel im Süden und grinste. »Wie wär’s mit einem Floß? Da brauchen wir doch nichts weiter zu tun als eine Anzahl von Stämmen aneinanderzubinden, und da drüben auf dem Hügel stehen mehr als genug Erlen.«
»Auch eine, die lang und kräftig genug wäre, eine Stange daraus zu machen, mit der wir den Flußboden erreichen, um das Floß zu lenken? Flöße sind schwer zu handhaben, selbst auf seichten Flüssen.«
Thonolans zuversichtliches Grinsen schwand. Jondalar mußte sich zusammenreißen, um seinerseits nicht zu lächeln. Thonolan war außerstande, seine Gefühle zu verbergen; Jondalar bezweifelte, daß er es jemals versucht hatte. Aber was ihn so liebenswert machte, war ja gerade sein ungestümes, offenes Wesen.
»Allerdings, eigentlich ist das gar keine so schlechte Idee«, gab Jondalar zu und bemerkte, wie das Lächeln in Thonolans Gesicht zurückkehrte.
»Wenn wir weit genug stromaufwärts gekommen sind, besteht wohl kaum noch Gefahr, daß wir in das reißende Wasser hineingezogen werden. Und finden dort eine Stelle, wo der Fluß breiter und seichter wird und nicht mehr so schnell fließt – und wo es auch noch Bäume gibt. Hoffentlich hält sich das Wetter.«
Thonolan war, als das Wetter erwähnt wurde, genauso ernst geworden wie sein Bruder. »Komm, laß uns gehen«, sagte er. »Das Zelt ist geflickt.«
»Aber ich möchte mir erst die Erlen dort drüben ansehen. Wir brauchen ja immer noch ein paar kräftige Lanzen. Wir hätten schon gestern abend welche machen sollen.«
»Machst du dir immer noch Sorgen wegen des Nashorns? Das haben wir längst abgehängt. Wir sollten uns aufmachen und eine Stelle zum Übersetzen suchen.«
»Ich werde zumindest einen Schaft abhacken.«
»Dann kannst du auch gleich einen für mich mit schneiden.
Ich fange schon an zu packen.«
Jondalar nahm sein Beil und fuhr mit dem Daumen prüfend über die Schneide, nickte beifällig und ging den Hügel hinauf auf den Erlenhain zu. Dort prüfte er die einzelnen Bäume eingehend und wählte einen hoch und gerade gewachsenen jungen Stamm aus. Er hatte ihn bereits gefällt und die Zweige abgeschlagen und war bereits dabei, einen für Thonolan auszusuchen, da vernahm er plötzlich Laute: ein Schnaufen und Grunzen. Er hörte seinen Bruder rufen und dann ein Geräusch, erschreckender als alles, was er bisher im Leben gehört hatte: den Schmerz in seines Bruders Stimme. Das Schweigen, als sein Schrei abgeschnitten wurde, war womöglich noch schlimmer.
»Thonolan! Thonolan!«
Jondalar raste den Hügel hinunter, hielt immer noch den Erlenschaft gepackt und war selbst von einer kalten Angst gepackt. Sein Herz hämmerte, und sein Blut rauschte in den Ohren, als er ein riesiges Wollhaarnashorn erblickte, die Schultern so hoch wie er groß war, das die Gestalt eines Mannes am Boden hin- und herwarf. Das Tier schien nicht zu wissen, was tun mit seinem Opfer, jetzt, wo es am Boden lag. Aus der Tiefe seiner Furcht und seiner Wut heraus überlegte Jondalar nicht lange – er reagierte.
Den Erlenstamm wie eine Keule schwingend, stürmte der ältere Bruder ohne auf die eigene Sicherheit zu achten, auf das Tier los. Ein heftiger
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