Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Schlag landete unmittelbar unterhalb des gebogenen Horns auf der Schnauze des Nashorns, dann ein zweiter. Das Nashorn wich einen Schritt zurück; angesichts des wütend um sich schlagenden und ihm Schmerz bereitenden Menschen wußte es nicht was tun. Jondalar holte zu einem dritten Schlag aus – da drehte das Tier ab. Der kräftige Schlag auf seinen Rumpf tat nicht weiter weh, trieb es jedoch vorwärts, und der große Mann jagte hinter ihm drein.
Als der Erlenschaft jetzt, wo das Tier davonstürmte, nur durch die Luft sauste, blieb Jondalar stehen und sah das Nashorn fliehen. Er rang nach Luft. Dann ließ er den Schaft fallen und lief zurück zu Thonolan. Das Gesicht auf der Erde, lag sein Bruder dort, wo das Nashorn von ihm abgelassen hatte.
»Thonolan! Thonolan!« Jondalar drehte ihn um. Die Lederhose war in der Leistengegend aufgerissen, und ein Blutfleck wurde immer größer.
»Thonolan! Ach, Doni!« Er legte dem Bruder das Ohr auf die Brust, horchte nach dem Herzschlag und fürchtete, sich nur einzubilden, ihn zu hören, bis er ihn atmen sah.
»Ach, Doni! Er lebt! Aber was mache ich jetzt?« Stöhnend vor Anstrengung hob Jondalar den Bewußtlosen auf, stand einen Moment da und hielt ihn auf den Armen.
»Doni, ach Große Erdmutter! Nimm ihn noch nicht! Laß ihn leben! Ach, bitte …« Seine Stimme krächzte, und ein gewaltiger Schluchzer stieg in seiner Brust auf. »Mutter … bitte … laß ihn am Leben!«
Jondalar senkte den Kopf und schluchzte einen Moment in die schlaffen Schultern seines Bruders hinein, dann trug er ihn zurück zum Zelt. Sanft legte er ihn auf seiner Schlafrolle nieder und schnitt ihm mit dem Messer mit dem beinernen Griff die Kleidung auf. Die einzig sichtbare Wunde war ein böser gezackter Riß am linken Oberschenkel, der durch Haut und Muskel ging; nur seine Brust hatte sich böse gerötet, und die linke Seite schwoll an und verfärbte sich. Ein eingehenderes Abtasten überzeugte Jondalar, daß Thonolan sich mehrere Rippen gebrochen hatte; wahrscheinlich hatte er auch innere Verletzungen.
Blut schoß stoßweise aus Thonolans Beinwunde und sammelte sich auf der Schlafrolle. Jondalar kramte in seinem Gepäck und suchte nach etwas, es aufzutupfen. Er griff nach seinem ärmellosen Sommerüberwurf, knüllte ihn zusammen und versuchte, das Blut auf dem Fell damit aufzuwischen, was jedoch nur zur Folge hatte, daß er es noch weiter verschmierte. Da legte er weiches Leder auf die Wunde.
»Doni! Doni! Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin kein Zelandoni.«
Jondalar hockte sich hin und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Blutflecken blieben auf seinem Gesicht zurück. »Weidenrinde! Es wird gut sein, Weidenrindentee aufzubrühen.«
Er ging, Wasser zu erhitzen. Er brauchte kein Zelandoni zu sein, um die schmerzstillenden Eigenschaften von Weidenrindentee zu kennen. Jeder brühte Weidenrindentee auf, wenn er Kopfweh oder irgendwelche kleinere Schmerzen hatte. Daß er auch bei ernsthaften Wunden verwendet wurde, wußte er nicht. Nur wußte er sonst nichts zu tun. Nervös schritt er um das Feuer herum, warf bei jedem Umgang erst einmal einen Blick ins Zelt und wartete darauf, daß das kalte Wasser anfing zu sieden. Er häufte mehr Holz auf das Feuer und versengte eine Ecke des Holzrahmens, an dem die mit Wasser gefüllte Kochhaut aufgehängt war.
Warum dauert es so lange! Warte, ich habe ja gar keine Weidenrinde. Ich sollte hingehen und welche holen, ehe das Wasser kocht. Er steckte den Kopf ins Zelt hinein und starrte seinen Bruder lange an. Dann lief er hinunter an den Fluß. Nachdem er Rinde von einem blattlosen Baum geschält hatte, dessen lange dünne Zweige ins Wasser hineinhingen, lief er zurück.
Zuerst sah er nach, ob Thonolan wieder zu sich gekommen sei, und sah, daß sein Sommerüberwurf sich voll Blut gesaugt hatte. Dann erkannte er, daß die überreichlich gefüllte Kochhaut überkochte und das Feuer löschte. Er wußte nicht, was zuerst tun – sich um den Tee kümmern oder um seinen Bruder – und blickte immer wieder zwischen Feuer und Zelt hin und her. Schließlich packte er ein Trinkgefäß, schöpfte etwas Wasser heraus, verbrühte sich dabei die Hand und ließ dann die Weidenrinde in den Felltopf fallen. Er legte noch ein paar Stück Holz nach und hoffte, daß sie angehen würden. Er durchsuchte Thonolans Traggestell, kippte es in seiner Verzweiflung sogar aus und nahm seines Bruders Sommerüberwurf, um ihn gegen den blutdurchtränkten auszuwechseln, der ihm
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