Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
sie das
Zeug, eine Sucherin oder gar eine Ruferin zu werden. Gleichviel,
das Herdfeuer des Mammut bildete den geistigen Mittelpunkt
jener Kinder der Erde, die sich selbst die Mammutjäger
nannten. Ayla konnte sich bis jetzt nicht einmal vollkommen in
ihrer Sprache ausdrücken. Wie konnte jemand, der mit ihrer
Lebensweise nicht vollständig vertraut war und keinerlei Wissen
von Mut besaß, die Bedürfnisse und Wünsche der Mutter für sie
deuten?
»Talut wollte sie adoptieren, Mamut«, sagte Tulie. »Warum
sollte sie ans Herdfeuer des Mammut kommen? Weder hat sie
sich der Mut geweiht, noch ist sie darin ausgebildet, der Mutter
zu Dienen.«
»Ich habe nicht behauptet, daß sie das ist oder jemals sein
wird, Tulie, obwohl sie begabter ist, als ihr euch vorstellen
könnt, und ich es für sehr weise hielte, sie – um ihretwillen –
auszubilden. Ich habe nicht gesagt, sie wird eine Tochter vom Herdfeuer des Mammut. Ich habe gesagt, sie ist eine Tochter vom Herdfeuer des Mammut. Sie wurde als eine solche geboren, von der Mutter Selbst dazu auserkoren. Die Entscheidung darüber, sich ausbilden zu lassen oder nicht, ist etwas, das keiner ihr abnehmen kann; aber es spielt überhaupt keine Rolle. Ayla braucht sich gar nicht zu weihen; das steht nicht in ihrer Macht. Ob ausgebildet oder nicht, ihr Leben wird Der Mutter Dienen. Ich setze mich nicht dafür ein, weil ich sie ausbilden möchte – es sei denn, es wäre ihr eigener Wunsch. Ich möchte
sie als Tochter meines Herdfeuers adoptieren.«
Während Ayla dem alten Mann lauschte, überlief sie plötzlich
ein kalter Schauder. Die Vorstellung, daß ihr Schicksal
vorherbestimmt sei, ihr aus den Händen genommen, von
Geburt an für sie auserwählt, gefiel ihr überhaupt nicht. Was
meinte er damit, daß sie Der Mutter geweiht sei, daß ihr Leben
der Mutter Dienen würde? War sie auch von Der Mutter
auserwählt? Als er ihr die Sache mit den Totems erklärte, hatte
Creb ihr gesagt, das sei ein Grund, warum der Geist des Großen
Höhlenlöwen sie erwählt habe. Er hatte gesagt, sie brauche einen
mächtigen Schutz. Was nun bedeutete es, von Der Mutter
auserkoren zu sein? War das der Grund, warum sie des Schutzes
bedurfte? Oder bedeutete es, daß, wenn sie eine Mamutoi
wurde, der Höhlenlöwe nicht mehr ihr Totem wäre? Sie nicht
mehr beschützen würde? Das war ein beunruhigender Gedanke.
Sie wollte ihr Totem nicht verlieren. Sie schüttelte sich,
versuchte böse Vorahnungen abzuschütteln.
Hatte Jondalar ob ihrer Adoption Unbehagen erfüllt, so
verstärkte sich diese anläßlich dieser unerwarteten Wendung,
die die Dinge nahmen. Er hörte die geflüsterten Bemerkungen
der Leute und fragte sich, ob es wirklich stimme, daß sie eine
der ihren werden sollte. Wenn Mamut plötzlich behauptete, sie sei dem Herdfeuer des Mammut geboren, könnte sie ja ebensogut eine Mamutoi gewesen sein, ehe sie ihre Eltern
verloren hatte.
Ranec war überglücklich. Er hatte so sehr gewünscht, daß Ayla
eine der ihren würde; wurde sie jedoch vom Herdfeuer des
Löwen adoptiert, wäre sie damit seine Schwester, und er hatte
kein Verlangen danach, ihr Bruder zu sein. Er wollte sich mit ihr
zusammentun, und ein Bruder und eine Schwester konnten sich
nicht zusammentun. Da beide adoptiert wären, sie aber beide
offensichtlich nicht dieselbe Mutter hatten, hatte er vorgehabt,
sich ein anderes Herdfeuer zu suchen, und gehofft, von ihm
adoptiert zu werden; denn nur so konnte er seine Werbung
weiter vorantreiben. Der Gedanke, Nezzie und Talut damit weh
zu tun, schmerzte ihn. Aber wenn sie vom Herdfeuer des
Mammut adoptiert wurde, brauchte er das nicht zu tun. Ganz
besonders freute es ihn, daß sie als Tochter Mamuts adoptiert
werden sollte und nicht als Eine, die dem Dienst der Mutter
geweiht war, doch selbst das hätte ihn nicht abhalten können,
um sie zu werben.
Nezzie war ein wenig enttäuscht. Sie hatte Ayla bereits als ihre
Tochter betrachtet. Doch am wichtigsten war es Nezzie, daß
Ayla bei ihnen blieb, und wenn Mamut sie wollte, war das für
den Rat beim Sommer-Treffen nur noch eine größere
Empfehlung. Talut sah sie fragend an, und als sie nickte, erklärte
er sich bereit, hinter Mamut zurückzustehen. Auch Tulie erhob
keine Einwände. Die vier berieten sich rasch, und Ayla erklärte
sich einverstanden. Aus irgendeinem Grunde, den sie nicht
recht benennen konnte, freute sie sich, Mamuts Tochter zu sein. Als es in der dämmerigen Erdhütte wieder still wurde, hielt
Mamut die Hand in die Höhe, und zwar
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