Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Schmuck fehlte, sie also weder bemalt noch beschnitzt war, so wie sie es gewohnt war. Doch als sie genauer hinsah, die Finger über die bemerkenswert fein geschliffene Wandung fahren ließ und die Symmetrie und die vollkommene Form der Arbeit erkannte, mußte sie zugeben, daß es sich sehr wohl um ein ganz vorzüglich gefertigtes Stück handelte, vielleicht sogar um das feinste Stück Handwerksarbeit, das sie je gesehen hatte. Als die Schale von einem zum anderen ging, erweckte sie Neugier auf die anderen Geschenke, die Ayla mitgebracht hatte; jetzt war jeder der Anwesenden gespannt, ob wohl jedes Geschenk so wunderschön und ungewöhnlich wäre wie dieses.
Jetzt trat Talut vor und schloß Ayla herzlich in die Arme. Dann überreichte er ihr ein mit einem Elfenbeingriff versehenes Messer in einer rotgefärbten Lederscheide, das mit einem verschlungenen Muster beschnitzt war, ähnlich dem Messer, das Deegie an ihrem Gürtel trug. Ayla zog das Messer aus der Scheide und erriet sofort, daß die Klinge wahrscheinlich von Wymez gefertigt war – den Griff, so mutmaßte sie, hatte vermutlich Ranec geschnitzt und geformt.
Für Talut holte Ayla ein schweres dunkles Fell hervor. Er verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen, schüttelte den Umhang, der aus einem ganzen Wisentfell bestand, und warf ihn sich um die Schulter. Die dichte Mähne und das Schulterhaar ließen den großen Mann womöglich noch größer erscheinen, als er war, und er genoß die Wirkung. Dann bemerkte er die Art und Weise, wie der Umhang fiel, nämlich in schönen Falten, und da untersuchte er die weiche und geschmeidige Innenseite des warmen Umhangs genauer.
»Nezzie! Schau dir das hier an!« sagte er. »Hast du jemals ein geschmeidigeres Wisentfell gesehen? Und wie warm es ist! Ich glaube, ich möchte nicht, daß etwas anderes daraus gemacht wird, nicht mal ein Überwurf! Das trage ich so, wie es ist!«
Ayla lächelte über sein Entzücken und freute sich, daß ihr Geschenk so sehr gefiel. Jondalar, der sich im Hintergrund hielt, freute sich über Taluts Reaktion. Er hatte das erwartet, war aber trotzdem froh, daß seine Erwartung sich erfüllte.
Nezzie hieß Ayla mit einer herzlichen Umarmung willkommen und schenkte ihr dann eine Halskette aus zueinander passenden, nach Größe aufgefädelten Spiralmuscheln, eine jede von der anderen durch sorgsam zusammengenähte Abschnitte der harten Röhrenknochen des Polarfuchses getrennt; vorn hing als Anhänger der mächtige Eckzahn eines Höhlenlöwen herunter. Ayla hielt sie sich um, während Tronie sie ihr hinten festband; dann sah sie an sich herunter und bewunderte sie, nahm den Zahn des Höhlenlöwen in die Hand und überlegte, wie sie es wohl fertiggebracht hatten, ihn an der Wurzel zu durchbohren.
Jetzt stieß Ayla den Fellvorhang vor der Bettplattform beiseite und holte einen sehr großen Deckelkorb heraus und stellte ihn vor Nezzie hin. Der Korb schien ganz einfach. Keines der Gräser, aus denen er geflochten war, war gefärbt worden, und die Korbwand wies keinerlei bunte geometrische Figuren, stilisierte Vögel oder Tiere auf. Bei näherem Hinschauen fiel jedoch ein sehr feines Flechtmuster auf, und Nezzie erkannte, mit wieviel Geschick der ganze Korb geflochten war, daß er kein Wasser durchließ, sich also durchaus als Kochkorb eignete.
Nezzie hob den Deckel in die Höhe, woraufhin das gesamte Lager sein Erstaunen äußerte. Der durch schmiegsame Birkenrinde in Fächer unterteilte Korb war mit Eßbarem gefüllt. Da lagen kleine harte Äpfel, süßwürzige Möhren, geschälte knorrige Wurzeln der stärkehaltigen Erdbirne Topinambur, getüpfelte und getrocknete Kirschen, die getrockneten, gleichwohl jedoch noch grünen Knospen von Taglilien, die in der Schote getrockneten Samenkörner der Bärenschoten, getrocknete Pilze, getrocknete Blätter grüner Zwiebeln und etliche andere nicht ohne weiteres zu bestimmende, ebenfalls getrocknete Blätter und Stengel. Als Nezzie die Auswahl begutachtete, strahlte sie übers ganze Gesicht. Es war ein wunderbares Geschenk.
Als nächste trat Tulie auf Ayla zu. Sie hieß sie gleichfalls mit einer Umarmung willkommen, nicht weniger herzlich, aber förmlicher; und wie sie Ayla ihr Geschenk überreichte, tat sie das auch nicht mit großer Geste, machte aber deutlich, durchaus das richtige Gefühl für Zeremonielles zu haben. Bei dem Geschenk handelte es sich um einen wunderschön verzierten kleinen Behälter. Er war aus Holz in der Form eines kleinen Kastens
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