Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
und Fralie weigerte sich, sich in eine Situation zu begeben, die den Anschein erweckte, als müsse sie sich zwischen ihrer Mutter und ihrem Gefährten entscheiden.
Als nächste kam Crozie und nickte Ayla beifällig zu. Dann schenkte sie ihr einen kleinen Lederbeutel, der an den Rändern zusammengenäht und oben an der Öffnung zugebunden war. Der Beutel bestand aus rotgefärbtem Leder, war wunderschön mit Elfenbeinkügelchen besetzt und mit weißen, nach unten zeigenden Dreiecken bestickt. Kleine weiße Kranichfedern waren am runden Rand unten angebracht. Ayla war voll des Lobes über die schöne Arbeit, doch als sie keinerlei Anstalten machte, den Beutel aufzumachen, forderte Deegie sie auf, es zu tun. Darin lagen Schnüre und Fäden aus Mammutwolle, Sehnen, Tierhaaren und Pflanzenfasern, alle sorgfältig zu kleinen Knäueln geschlungen oder aber um kleine Knöchelchen herum aufgewickelt. Außerdem enthielt das Nähbeutelchen scharfe Klingen und Ahlen zum Schneiden und Durchstechen. Ayla war entzückt. Sie brannte darauf kennenzulernen, wie die Mamutoi ihre Kleider schmückten und verzierten.
Sie ihrerseits holte von ihrer Plattform eine kleine Holzschale mit fest sitzendem Deckel darauf und überreichte sie der alten Frau. Als Crozie sie aufmachte, sah sie Ayla verwirrt an. Die Schale war gefüllt mit rein weißem, gesprengeltem weichem Talg – farb-, geruch- und geschmacklosem Tierfett, das in siedendem Wasser ausgekocht worden war. Sie schnupperte daran und lächelte, als sie den Duft bemerkte, wußte aber immer noch nicht, was das ganze eigentlich sollte.
»Ich habe aus Blüten Rosenwasser gemacht … und das vermischt … mit anderen Dingen«, begann Ayla zu erklären.
»Ja, deswegen riecht es wohl so gut. Aber wozu benutzt man es?«
»Für die Hände, fürs Gesicht, Ellbogen, Füße. Fühlt sich gut an und macht die Haut glatt«, sagte Ayla, nahm einen kleinen Batzen davon und rieb ihn der alten Frau auf die trockene, gesprungene und verrunzelte Hand. Nachdem sie es ihr in die Haut eingerieben hatte, berührte Crozie sie mit der anderen Hand, schloß dann die Augen und fühlte genüßlich die ungewohnte Glätte. Als die alte Frau die Augen wieder aufmachte, meinte Ayla zu bemerken, daß sie freudiger leuchteten als zuvor, dabei war von Tränen nichts zu sehen. Als die Frau sie jedoch eng an sich drückte, spürte Ayla, wie sie innerlich zitterte.
Jeder Austausch von Geschenken machte alle immer gespannter auf den nächsten, und Ayla genoß es, ebensoviel zu geben, wie sie bekam. Die Geschenke, die sie erhielt, waren für sie genauso ungewöhnlich wie ihre Geschenke für die anderen. Es machte einfach Spaß zu sehen, wie beifällig ihre Gaben aufgenommen wurden, und sie ihrerseits ließ sich gern von dem überwältigen, was sie geschenkt bekam. Nie war sie sich als etwas Besonderes vorgekommen, nie hatte man ihr jemals das Gefühl vermittelt, so willkommen zu sein wie hier und gebraucht zu werden. Wenn sie darüber nachdachte, drohten Tränen der Freude ihr in die Augen zu treten.
Ranec hielt sich im Hintergrund und wartete, bis alle anderen Geschenke ausgetauscht worden waren. Er wollte der Letzte sein, sie sollte sein Geschenk nicht mit denen der anderen verwechseln. Er wünschte sich, daß seines von den besonderen und einzigartigen Geschenken dasjenige sei, das sich ihrer Erinnerung am nachhaltigsten einprägte. Ayla stellte die Geschenke auf die Plattform, die jetzt genauso voll stand wie zu Anfang, da fiel ihr das Geschenk für Ranec in die Augen, und ihr ging auf, daß sie mit ihm ja noch nichts ausgetauscht hatte. Ihr Geschenk in der Hand, drehte sie sich suchend nach ihm um und blickte geradewegs in die gebleckten Zähne seines spöttischen Lächelns.
»Nein, ah … ich habe es nicht vergessen – Hier«, sagte sie, erinnerte sich an das Geschenk in ihrer Hand und hielt es in die Höhe. Er richtete die Augen darauf und strahlte vor Vergnügen, als er die dichten, weichen weißen Winterpelze der Polarfüchse erblickte, die sie ihm hinhielt. Diese kleine Verzögerung gab ihr die Chance, sich zu fassen, und als er die Augen wieder auf sie richtete, waren es ihre Augen, die diesmal spöttisch lächelten. »Du hast es wohl vergessen, oder?«
Er verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen, ebensosehr erfreut über ihre leichte Auffassungsgabe und ihre Bereitwilligkeit, bei seinen Späßen mitzumachen, wie auch darüber, daß ihm dies genau die richtige Möglichkeit gab, ihr sein Geschenk zu
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