Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
schlecht über diesen anderen Mann zu sprechen? War er denn besser?
Dennoch hatte sie es für sich behalten. Sie prangerte ihn nicht an, verlangte keine Bestrafung. Sie war zu gut für ihn. Er verdiente sie einfach nicht. Es war nur recht, daß sie und Ranec einander verlobten, dachte Jondalar. Und noch während dieser Gedanke ihn beschäftigte, verkrampfte sich alles in ihm, denn er begriff, daß dies seine Strafe sein sollte. Doni hatte ihm gegeben, was er sich am meisten gewünscht hatte. Sie hatte ihn die einzige Frau finden lassen, die er lieben konnte – und er hatte sie nicht akzeptieren können, wie sie war! Jetzt hatte er sie auch noch verloren. Es war seine eigene Schuld, er würde seine Bestrafung hinnehmen, allerdings nicht, ohne traurig deswegen zu sein.
Solange Jondalar zurückdenken konnte, hatte er um Selbstbeherrschung gerungen. Andere Männer zeigten ihre Gefühle – lachten, wüteten oder weinten – weit leichter als er; was er sich jedoch am meisten versagte, das waren Tränen. Seit der Zeit, da er fortgeschickt worden war und seine behütete Jugend in einer über den Verlust von Heim und Familie weinend verbrachten Nacht verloren hatte, hatte er nur ein einziges Mal wieder Tränen vergossen: in Aylas Armen über den Verlust seines Bruders. Jetzt aber, in dieser Nacht, überwältigte die Trauer ihn aufs neue. Schweigend vergoß er in der Erdhütte von Menschen, die eine Jahresreise von seinem Zuhause entfernt lebten, heiße Tränen, denen er keinen Einhalt gebieten konnte – weinte er über den Verlust dessen, was ihm näherging als alles andere. Über den Verlust der Frau, die er liebte.
Mit dem langerwarteten Frühlings-Fest feierte man den Beginn des neuen Jahres und stattete Dank ab für das vergangene. Dabei wurde es nicht gleich zum Jahresbeginn abgehalten sondern auf dem Höhepunkt des Frühlings, wenn die ersten grünen Knospen und Schößlinge bereits kräftig entwickelt waren und geerntet werden konnten; denn erst damit begann für die Mamutoi der Kreislauf des Jahres. Mit überströmender Freude und unendlicher Erleichterung, die nur diejenigen voll zu würdigen verstanden, deren Überleben stets gefährdet war, hießen sie das Ergrünen der Erde willkommen, das ihnen selbst und den Tieren, mit denen sie das Land teilten, das Weiterleben garantierte.
In den dunkelsten und kältesten Nächten des harten eiszeitlichen Winters, in denen es aussah, als würde selbst die Luft noch gefrieren, konnten auch im Herzen der Gutgläubigsten und Zuversichtlichsten noch Zweifel wach werden, ob denn Wärme und Leben jemals wiederkämen. In jenen Zeiten, da der Frühling am weitesten weg schien, brachten Erinnerungen und Geschichten von früheren Frühlings-Festen Befreiung von tiefsitzenden Ängsten und weckten neuerlich Hoffnung, daß der Kreislauf der Großen Erdmutter mit seinen Jahreszeiten trotz allem weitergehen würde. Deshalb gestalteten die Menschen jedes Frühlings-Fest so aufregend und erinnerungswürdig wie nur irgend möglich.
Beim großen Frühlings-Fest wurde nichts von den Vorräten angerührt, die noch vom vorigen Jahr stammten. Einzeln und in kleinen Gruppen waren die Mamutoi seit Tagen unterwegs gewesen und hatten gefischt, gejagt, Fallen gestellt und Pflanzen gesammelt. Jondalar hatte guten Gebrauch von seinem Speerwerfer gemacht und freute sich, ganz allein eine trächtige Wisentkuh beigesteuert zu haben, auch wenn sie dünn und ausgemergelt war. Jedes genießbare Pflanzenprodukt wurde gesammelt. Die Kätzchen von Birke und Weide; die jungen sich entrollenden Schößlinge der Farne ebenso wie die alten Wurzelstöcke, die man rösten, entrinden und zu Mehl zerstoßen konnte; das saftige Kambiumgewebe von Birke und Fichte, das süß war vom steigenden frischen Saft; Knospen, Schößlinge, Knollen, Wurzeln und Blüten aller Art. Die Erde war überreich gesegnet mit köstlicher frischer Nahrung. Die Schößlinge und jungen Schoten der Wolfsmilch dienten als Gemüse, wohingegen deren Blüte, die voll war von Nektar, zum Süßen verwendet wurde. Die frischen Blätter von Klee, Fuchsschwanz, Nessel, Rainfarn, Gänseblümchen und Lattich wurden roh gegessen oder gekocht; Distelstengel und besonders die zarten Distelwurzeln waren äußerst begehrt. Lilienzwiebeln waren ebenso ein Leckerbissen wie die Schößlinge von Rohrkolben und Binsen. Die Wurzeln von Süßholz ließen sich roh zerkauen oder in Asche rösten. Manche Pflanzen wurden ihres reinen Nährwerts wegen gesucht, andere
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