Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
anderen und betrachtete die Zeichen sehr aufmerksam.
»Da kommt sie ja«, sagte Jondalar. »Ayla kann es auch besser als ich sagen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Weg zurück vom Tal zum Löwen-Lager finden würde; von hier aus jedenfalls auf gar keinen Fall. Dazu haben wir zu viele Richtungsänderungen vorgenommen und zu viele Umwege gemacht.«
»Jondalar hat versucht, eine Karte zu zeichnen, um uns den Weg zu dem Tal zu zeigen, wo ihr die Pyritwürfel gefunden habt«, sagte Talut.
»Seit wir losgezogen sind, habe ich immer die Augen offen gehalten, aber ich habe nicht einen einzigen solchen Würfel gefunden«, fügte Tornec hinzu. »Irgendwann möchte ich mal hin und welche holen. Diejenigen, die wir haben, werden nicht ewig reichen. Meiner weist bereits eine tiefe Rille auf.«
»Ich kann Entfernungen so schlecht abschätzen«, sagte Jondalar. »Wir sind zu Pferde gereist, und deshalb ist es schwierig zu sagen, wie viele Tage man zu Fuß brauchen würde. Und wir haben viel erkundet, haben gehalten, wenn uns danach war, und sind keinem bestimmten Pfad gefolgt. Ich bin fast sicher, daß wir weiter im Norden noch einmal über den Fluß übergesetzt sind, der durch dein Tal fließt. Vielleicht sogar mehr als einmal. Als wir zurückkehrten, war es fast Winter, und viele der Landmarken hatten sich verändert.«
Ayla legte die Blumen nieder und ergriff das Zeichenmesser. Dann überlegte sie, wie sie eine Karte vom Tal zeichnen könnte. Sie fing mit einem Strich an, zögerte dann jedoch.
»Versuch gar nicht erst, es von hier zu machen«, ermunterte
Talut sie.
»Überlege einfach, wie man vom Löwen-Lager aus
hingelangt.«
Sich konzentrierend, legte Ayla die Stirn in Falten. »Ich weiß,
daß ich euch den Weg vom Löwen-Lager aus zeigen könnte«,
sagte sie, »aber ich komme immer noch nicht gut mit Karten
zurecht. Ich glaube, ich weiß einfach nicht, wie man eine
zeichnet.«
»Nun, mach dir keine Sorgen deshalb«, sagte Talut. »Wir
brauchen ja keine Karte, wenn du uns den Weg zeigen kannst.
Vielleicht können wir, wenn wir vom Sommer-Treffen
zurückkehren, einen Ausflug dorthin machen.« Dann deutete er
mit seinem rotbebärteten Kinn auf die Blumen.
»Was hast du diesmal mitgebracht, Ayla?«
»Das möchte ich gern von dir hören. Ich weiß, um was es sich
handelt, aber wie ihr sie nennt, weiß ich nicht.«
»Die rote hier ist eine Pelargonie oder Geranie«, sagte Talut.
»Und das hier ist Mohn.«
»Noch mehr Blumen?« fragte Deegie, die sich gerade zu ihnen
gesellte.
»Ja. Die Namen dieser beiden hat Talut mir genannt«, sagte
Ayla.
»Laß mal sehen! Das hier ist Heide und das eine Grasnelke«,
sagte Deegie und ließ sich neben Ayla nieder. »Wir sind fast da.
Talut sagt, irgendwann morgen kommen wir an. Ich kann es
kaum noch erwarten. Morgen werde ich Branag wiedersehen,
und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis wir endlich
zusammengegeben werden. Ich weiß nicht mal, ob ich heute
nacht ein Auge zudrücken werde.«
Ayla lächelte ihr zu. Deegie war so erregt, daß es schwerfiel,
ihre Begeisterung nicht zu teilen; doch erinnerte sie das nur
daran, daß auch sie bald zusammengegeben werden sollte. Daß
Jondalar von ihrem Tal und davon geredet hatte, dorthin
zurückzukehren, hatte in ihr schmerzliches Verlangen nach ihm
geweckt. Sie hatte ihn beobachtet und sich bemüht, sich das
nicht anmerken zu lassen; aber sie hatte das bestimmte Gefühl,
daß er es doch bemerkt hatte. Immer wieder kam es vor, daß
ihre Blicke sich kurz trafen, ehe sie beide beiseite sahen. »Ach, Ayla, ich weiß so viele Leute, von denen ich möchte,
daß du sie kennenlernst, und ich freue mich so, daß wir beide
gleichzeitig bei derselben Hochzeitsfeier zusammengegeben
werden. Das ist etwas, das wir gemeinsam haben werden.« Jondalar erhob sich. »Ich muß gehen … und … uh … meine
Schlafrolle ausbreiten«, sagte er und enteilte.
Deegie beobachtete, wie Aylas Augen ihm folgten, und war
fast sicher, daß ihr die Tränen kommen wollten. Sie schüttelte
den Kopf. Ayla wirkte einfach nicht wie eine Frau, die bald mit
einem Mann zusammengegeben werden und mit dem Geliebten
ein Herdfeuer gründen sollte. In ihr war keine Freude, keine
Erregung. Irgend etwas fehlte. Etwas, das Jondalar hieß.
31
Am Morgen zog das Löwen-Lager weiter stromaufwärts, hielt sich oben auf dem Plateau der Steppe, verlor aber selten den linkerhand unter ihnen rasch dahinfließenden Wasserlauf aus den Augen, der ganz trüb war von Gletscherwasser und von
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