Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
nahezu unerträgliche Spannung, teils Angst, teils Erregung, hatte Ayla gepackt. Sie schluckte die Angst hinunter und legte den ersten Speer in die den ganzen Speerwerfer entlang verlaufende Rille.
Die Mammutkuh war bis zum äußersten Ende der Schlucht vorgedrungen und suchte nach einem Ausweg für ihre Herde, doch hier erwartete Brecie sie hoch auf einem Eisblock stehend. Die alte Matriarchin reckte den Rüssel in die Höhe und machte ihrer Verzweiflung trompetend Luft, und die Anführerin des Elch-Lagers schleuderte ihr einen Speer mitten hinein in den offenen Schlund. Der Trompetenstoß wurde abgeschnitten, und eine aus dem Mund heraussprudelnde Flüssigkeit besprühte das kalte weiße Eis mit warmem rotem Blut.
Der junge Mann aus Brecies Lager warf den zweiten Speer. Die lange scharfe Feuersteinspitze durchdrang die zähe Haut und bohrte sich tief in den Bauch des Tieres. Noch ein Speer folgte und landete gleichfalls unten im weichen Bauch. Diesmal riß der schwere Schaft mit seinem Gewicht eine große Wunde. Ihre Hinterbeine verwickelten sich in ihren eigenen Eingeweiden. Noch ein Speer wurde auf das todgeweihte Tier geschleudert, traf diesmal jedoch eine Rippe und prallte ab. Der ihm folgende fand eine Stelle zwischen zwei Rippen, so daß die lange, flache Feuersteinspitze tief eindringen konnte.
Die alte Leitkuh brach in die Knie, versuchte, noch einmal hochzukommen, und fiel dann auf die Seite. Noch ein letztesmal reckte sich ihr Rüssel, um einen Warnschrei auszustoßen, fiel dann langsam und geradezu anmutig zu Boden. Brecie berührte mit einem Speer den Kopf der tapferen alten Kuh, lobte ihren mutigen Kampf und dankte der Großen Mutter für dieses Opfer, das den Erden-Kindern gestattete zu überleben.
Brecie war nicht die einzige, die neben einem gefällten Mammut Aufstellung nahm und Der Mutter Dank sagte. Gruppen von Jägern fanden sich zusammen, um mit vereinten Kräften gegen jedes einzelne Tier vorzugehen. Da sie Speere schleuderten, konnten sie sich außer der Reichweite der Stoßzähne und Rüssel und schweren Füße der Mammuts halten, die sie angriffen. Gleichzeitig galt es jedoch, sich vor den anderen Tieren in acht zu nehmen, die ganz in der Nähe die Beute anderer Jäger wurden. Das Blut, das aus den verwundeten und sterbenden Tieren hervorschoß, weichte das Eis des teilweise gefrorenen Bodens auf und gefror dann wieder in leuchtendroten, glatten Lachen, auf denen man leicht ausrutschen konnte. Die Eisschlucht war ein Tohuwabohu von kreischenden Jägern und trompetenden und schreienden Mammuts, und die schimmernden Wände verstärkten jeden Laut und warfen ihn hundertfach zurück.
Nachdem sie eine Weile zugesehen hatte, verfolgte Ayla einen jungen Bullen, dessen schwere Stoßzähne lang und gebogen waren, aber immer noch nützliche Waffen darstellten. Sie legte den schweren Speer in den neuen Werfer ein und versuchte das richtige Gefühl dafür zu bekommen. Dann erinnerte sie sich, daß Brecie gesagt hatte, der Bauch sei einer der verwundbareren Körperteile des Mammuts, und Ayla war tief beeindruckt gewesen davon, wie die alte Leitkuh gleichsam entleibt worden war. Sie zielte und schleuderte die tödliche Waffe mit aller Kraft quer über die eisige Schlucht.
Der Speer flog schnell und geradlinig und bohrte sich in die Bauchhöhle. Doch sie hatte die Kraft, die hinter der Waffe und ihrem Wurf steckte, nicht gut genutzt; außerdem war niemand da, der hätte helfen können; sie hätte auf eine lebenswichtigere Stelle zielen sollen, denn ein Speer in den Weichteilen war nicht sofort tödlich. Der Jungbulle blutete stark und war zu Tode verwundet, doch der Schmerz machte ihn rasend und verlieh ihm die Kraft, sich gegen seine Angreiferin zu wenden. Der junge Mammut trompetete herausfordernd, senkte den Kopf und donnerte auf die junge Frau zu.
Daß sie mit dem Speerwerfer aus beträchtlicher Entfernung den Speer hatte schleudern können, war ihr einziger Vorteil. Jetzt ließ sie die Speere fallen und versuchte, sich auf einem Eisblock in Sicherheit zu bringen, doch als sie hinaufklettern wollte, rutschte sie aus. Gerade rechtzeitig, als der junge Bulle mit aller Macht dagegen anrannte, gelang es ihr, dahinter Schutz zu suchen. Seine massiven Stoßzähne krachten dagegen, sprengten den gigantischen Block aus gefrorenem Wasser auseinander und schoben ihn so weit zurück, daß Ayla fast die Luft wegblieb. Seine Verzweiflung und seinen Tod hinaustrompetend, hackte und schlug er an dem Eis herum und
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