Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
konsultierte die Angaben auf ihrem Elfenbeinplättchen. »Nein. Schau her, dies ist der kleine, über den wir eben hinweggeritten sind. Auch diesen hier sollen wir überqueren. Dann biegen wir ab und folgen dem nächsten flußaufwärts.«
»Sieht hier nicht tief aus. Gute Stelle, um überzusetzen?«
Latie ließ den Blick flußaufwärts und flußabwärts wandern. »Da oben, ein Stück weiter, ist eine bessere Stelle. Dort brauchen wir nur die Füßlinge auszuziehen und die Beinlinge hochzurollen.«
Folglich wandten sie sich flußaufwärts, doch als sie die breite seichte Stelle erreichten, wo das Wasser aufschäumend um Felsbrocken herumbrodelte, blieb Ayla nicht stehen. Sie lenkte Winnie in das Wasser und ließ das Pferd sich den Weg hinüber selbst suchen. Auf der anderen Seite fiel die Stute in einen Galopp, und Latie lächelte wieder.
»Nicht mal naß geworden sind wir!« jubelte das Mädchen. »Nur ein paar Spritzer.«
Als sie den nächsten Fluß erreichten und sich nach Osten wandten, verlangsamte Ayla die Gangart ein wenig, um Winnie ausruhen zu lassen. Da aber selbst der gemächliche Trab eines Pferdes noch um soviel schneller war, als ein Mensch gehen oder an einem Stück laufen konnte, kamen sie rasch voran. Die Gegend veränderte sich, es wurde rauher und ging allmählich auch etwas in die Höhe. Als Ayla anhielt und auf einen Fluß zeigte, der auf der anderen Seite auf sie zukam und zusammen mit dem, dem sie folgten, ein schmales V bildete, war Latie überrascht. Sie hatte nicht erwartet, den Nebenfluß so bald zu erreichen. Ayla jedoch hatte Strudel entdeckt und erwartet, daß er gleich auftauchen würde. Drei mächtige Graniterhebungen waren von der Stelle aus, wo sie hielten, zu sehen: ein gezackter Steilhang auf dem gegenüberliegenden Ufer, zwei andere weiter flußaufwärts auf ihrer Seite und ein wenig vom Wasser entfernt.
Sie folgten ihrem Zweig des Flusses und bemerkten, daß er zu beiden Felsen abbog, und als sie sich dem ersten näherten, sahen sie, daß der Wasserlauf sich zwischen ihnen hindurchzwängte. Eine ganze Strecke nachdem sie die den Fluß in die Mitte nehmenden Felsen hinter sich hatten, entdeckte Ayla eine Reihe dunkler zotteliger Wisente, die sich an dem immer noch grünen Riedgras und dem Röhricht am Wasser gütlich taten. Sie streckte den Arm aus und flüsterte Latie ins Ohr.
»Nicht laut reden! Schau!«
»Das sind sie!« sagte Latie ganz aufgeregt, aber mit gedämpfter Stimme, bemüht, sich zu beherrschen.
Ayla ließ das Auge hin und her wandern, dann netzte sie einen Finger mit Speichel und hielt ihn in die Höhe, um festzustellen, woher der Wind kam. »Wind weht uns von Wisenten entgegen. Gut. Wollen nicht stören, bis wir bereit sind zur Jagd. Wisent kennt Pferde. Auf Winnie kommen wir näher heran als sonst, aber nicht zuviel.«
Umsichtig lenkte Ayla das Pferd in weitem Abstand um die Herde herum, um sich noch weiter flußaufwärts umzusehen; als das geschehen war, kamen sie denselben Weg zurückgeritten. Eine mächtige alte Wisentkuh hob den Kopf, faßte sie ins Auge und kaute weiter. Die Spitze ihres linken Horns war abgebrochen. Die Frau verlangsamte den Ritt und ließ Winnie eine Gangart einschlagen, wie sie ihr ganz natürlich war; die beiden Reiterinnen hielten indessen die Luft an. Die Stute blieb stehen und senkte den Kopf, um ein paar Grashalme auszurupfen. Wenn Pferde nervös waren, grasten sie für gewöhnlich nicht, und so schien dies den Wisent zu beruhigen, denn auch er wandte sich wieder dem Äsen zu. Ayla umrundete die kleine Herde, so rasch es ging, dann ließ sie Winnie im Galopp flußabwärts stürmen. Als sie die vorher gesichteten Landmarken erreichten, bogen sie weiter nach Süden ab. Unterwegs hielten sie nach der Überquerung des zweiten Flusses an, damit Winnie ihren Durst löschen konnte, und ritten dann in südlicher Richtung weiter.
Die Jagdgesellschaft hatte gerade den ersten Bach hinter sich, als Jondalar merkte, wie Renner an seinem Halfter zerrte; eine Staubwolke kam auf sie zu. Jondalar stieß Talut an und streckte den Finger aus. Der Anführer spähte nach vorn und sah Ayla und Latie auf Winnie auf sie zu galoppieren. Die Jäger brauchten nicht lange zu warten, bis Pferd und Reiter bei ihnen waren und Winnie tänzelnd zum Stehen kam. Das Lächeln auf Laties Gesicht hatte etwas Entrücktes, ihre Augen leuchteten, und ihre Wangen glühten vor Aufregung. Talut half ihr als erster herunter. Dann warf Ayla ihr Bein über die Kruppe des Pferdes
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