Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Überwurf schwenkend, lief Talut auf das Tier zu, doch der Wisent mit der buschigen Mähne hatte genug von flatternden und knatternden Dingen und wollte sich nicht ablenken lassen. Ohne weiter darüber nachzudenken, lehnte Ayla sich vor und trieb Winnie in gestrecktem Galopp vorwärts. Um andere vorwärtsstürmende Wisente herumreitend und sie überholend, näherte sie sich dem mächtigen Stier und schleuderte ihren Speer im selben Augenblick, da auch Jondalar den seinen abschoß. Gleichzeitig wurde noch ein dritter Speer geworfen.
Die Stute sprengte an den Jägern vorbei ins Wasser, daß es aufspritzte und Talut ganz naß wurde. Ayla verlangsamte das Tempo, hielt dann ganz, wendete jedoch sofort wieder. Doch inzwischen war es vorbei. Der mächtige Wisent lag am Boden. Die ihm gefolgt waren, verhielten, und denjenigen, die dem Hang am nächsten waren, blieb keine andere Wahl, als in die Umfriedung hineinzulaufen. Nachdem auch der letzte Nachzügler hindurch war, schob Tulie das Gatter zu, und gleich darauf war es geschlossen. Tornec und Deegie rollten Felsbrocken und Steine davor, Wymez und Frebec zurrten es an den gut befestigten und bewehrten Seitenpfählen fest, während Tulie noch einen Felsbrocken davorrollte.
Ein wenig außer Atem glitt Ayla von Winnie herunter. Jondalar kniete zusammen mit Talut und Ranec neben dem Stier.
»Jondalars Speer ist seitlich am Hals eingedrungen und durch die Kehle gefahren. Das allein hätte diesen Stier schon töten können – aber dein Speer auch, Ayla. Ich habe dich nicht einmal kommen sehen«, sagte Talut, ein wenig beklommen angesichts ihrer Leistung. »Dein Speer ist tief in ihn eingedrungen, durch die Rippen hindurch.«
»Aber das war sehr gefährlich, Ayla. Du hättest verletzt werden können«, sagte Jondalar. Das klang zwar ärgerlich, war aber nur die Reaktion auf die Angst, die er um sie gehabt hatte, nachdem ihm klargeworden war, was sie getan hatte. Dann sah er Talut an und zeigte auf den dritten Speer, der sich dem Tier tief in die Brust gefressen hatte. »Auch der hätte ihn gefällt.«
»Das ist Ranecs Speer«, sagte Talut.
Jondalar wandte sich dem dunkelhäutigen Mann zu, und die beiden maßen einander mit den Blicken. Es gab wohl
Unterschiede zwischen ihnen, und ihre Rivalität hätte sie gegeneinander einnehmen können, aber in allererster Linie waren sie Menschen – Männer, die gemeinsam in einer schönen, wenn auch harten Urwelt lebten und sich darüber im klaren waren, daß sie aufeinander angewiesen waren, um überleben zu können.
»Ich schulde dir Dank«, sagte Jondalar. »Hätte mein Speer nicht getroffen, hätte ich mein Leben dir zu verdanken.«
»Aber nur, wenn auch Ayla nicht getroffen hätte. Dieser Wisent ist dreimal erlegt worden. Gegen euch hatte er keine Chance. Offenbar sollst du leben. Du bist vom Glück begünstigt, mein Freund; die Mutter scheint dir wohlgewogen zu sein. Hast du in allem soviel Glück?« sagte Ranec und sah dann Ayla mit Augen an, aus denen die Bewunderung sprach – und mehr.
Im Gegensatz zu Talut hatte Ranec Ayla sehr wohl kommen sehen. Ohne der Gefahr der langen spitzen Hörner zu achten, mit wehendem Haar und die Augen zornblitzend und voller Schrecken, das Pferd beherrschend, als wäre es nichts als eine Verlängerung ihrer selbst, war sie wie ein Rachegeist oder wie die Mutter eines jeden Geschöpfes, das jemals sein Junges verteidigt hatte. Es schien unwichtig, daß sowohl das Pferd als auch sie selbst hätten aufgeschlitzt werden können. Es war fast, als wäre sie ein Geist der Mutter, die Wisente ebenso mühelos beherrschen konnte wie das Pferd. Nie hatte Ranec Ähnliches wie sie erlebt. Sie war alles, was er je begehrt hatte: sie war schön, stark, mutig, liebevoll und beschützerisch. Sie war eine Frau.
Jondalar sah, wie Ranec sie ansah, und seine Eingeweide verkrampften sich. Wie sollte Ayla es nicht sehen? Wie nicht darauf reagieren? Er fürchtete, Ayla an den erregenden dunkelhäutigen Mann zu verlieren, und wußte nicht, was daran ändern. Die Zähne zusammenbeißend, die Stirn zornig und gequält gerunzelt, wandte er sich ab und versuchte, seine Gefühle zu verbergen.
Er hatte selbst erlebt, wie Männer und Frauen so reagierten, wie er es jetzt tat – und hatte Mitleid mit ihnen gehabt und sie auch ein wenig verachtet. Das war das Verhalten eines Kindes, eines unerfahrenen Kindes, dem es an Wissen und an Lebensweisheit fehlte. Er dachte, über so etwas erhaben zu sein. Ranec hatte gehandelt, um
Weitere Kostenlose Bücher