Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
ihm das Leben zu retten, und er war ein Mann. Konnte er ihm einen Vorwurf daraus machen, daß er sich von Ayla angezogen fühlte? Hatte sie nicht jedes Recht, ihre Wahl selbst zu treffen? Er haßte sich dafür, daß er so empfand, wie er es tat, aber er konnte nicht anders. Jondalar riß den Speer aus dem Wisent heraus und entfernte sich.
Das Gemetzel hatte bereits begonnen. Aus dem Schutz des Zauns heraus schleuderten die Jäger Speere auf die muhenden und schreienden, in der kleinen Umzäunung völlig verwirrt durcheinanderrasenden Tiere. Ayla kletterte hinauf, fand einen bequemen Platz, sich daran festzuhalten, und sah zu, wie Ranec kraftvoll und zielgenau einen Speer schleuderte. Eine gewaltige Wisentkuh strauchelte und brach in die Knie. Druwez warf einen weiteren Speer auf dasselbe Tier, und aus einer anderen Richtung – von wem er stammte, wußte sie nicht zu sagen – kam noch ein dritter. Das Tier mit dem wuchtigen Vorderkörper ging zu Boden, und der massige, tiefsitzende Kopf fiel ihm auf die Knie. Speerwerfer brachten hier, wie sie erkannte, keinen Vorteil. Die handgeschleuderten Speere der Mamutoi-Jäger taten nachhaltig ihren Dienst.
Plötzlich stürmte ein Stier gegen den Zaun an und prallte mit ungeheurer Wucht dagegen. Holz splitterte, Riemen zerrissen, Pfosten wurden umgebogen. Ayla spürte, wie der Zaun wankte und sprang zu Boden, doch das Gerüttel hörte nicht auf. Der Wisent hatte sich mit den Hörnern verkeilt! Er brachte den gesamten Zaun zum Erbeben, in dem Bemühen, sich zu befreien.
Talut kletterte auf das schwankende Gatter und spaltete dem mächtigen Tier mit einem einzigen Schlag seiner riesigen Axt den Schädel. Blut spritzte ihm ins Gesicht, Hirnmasse quoll hervor. Der Wisent erschlaffte und riß – die Hörner noch im Zaun verkeilt – das arg geschwächte Gatter samt Talut zu Boden.
Behende sprang der große Anführer von dem umstürzenden Gatter herunter, machte dann ein paar Schritte und versetzte dem letzten noch stehenden Wisent einen schädelzertrümmernden Schlag. Das Gatter hatte ausgedient.
»Jetzt kommt die Arbeit«, sagte Deegie und vollführte eine umfassende Geste. Dunkelbraun bewollten Erdhaufen gleich, lagen überall tote Tiere herum. Sie ging auf den ersten Wisent zu, zog das rasiermesserscharfe Feuersteinmesser aus der Scheide, setzte sich rittlings auf den Kopf und durchschnitt ihm die Kehle. Leuchtendrot schoß das Blut aus der Drosselader, dann wurde der Strahl schwächer und sammelte sich dunkelrot um Maul und Nase. Langsam versickerte es in sich immer weiter ausdehnenden Kreisen im Boden und färbte die gelbliche Erde schwarz.
»Talut!« rief Deegie, als sie den nächsten Haufen Zottelfell erreichte. Der lange Speerschaft, der ihm aus der Seite ragte, zitterte noch. »Komm, erlöse diesen hier von seinen Schmerzen, aber diesmal so, daß ein bißchen von seinem Hirn übrig bleibt. Ich brauche es.« Rasch erledigte Talut das leidende Tier.
Dann kam die blutige Aufgabe des Ausweidens, Abbalgens und Zerlegens. Ayla ging zu Deegie und half ihr, eine große Kuh umzudrehen, um an die zarten Weichteile des Bauches heranzukommen. Jondalar ging auf sie zu, doch Ranec war näher und erreichte sie vor ihm. Jondalar sah zu und überlegte, ob auch er helfen sollte oder ob ein vierter nur im Wege sei.
Beim After beginnend, schlitzten sie den Bauch bis zum Hals auf und trennten dabei das milchgefüllte Euter ab. Ayla packte auf der einen Seite an und Ranec auf der anderen, um die Rippen auseinanderzuziehen und den Brustkasten zu öffnen. Deegie kroch fast in die noch warme Höhlung hinein, und dann zogen sie die inneren Organe heraus: Magen, Gekröse, Herz und Leber. Das wurde schnell erledigt, damit die Gase in den Därmen, die sich bald entwickeln und den Bauch der Kadaver auftreiben würden, das Fleisch nicht ungenießbar machten. Dann zogen sie dem Tier das Fell ab.
Die drei brauchten keine Hilfe. Jondalar sah, wie Latie und Danug sich mit dem Brustkorb eines kleineren Tieres abmühten, schob Latie mit dem Ellbogen beiseite und riß mit einer einzigen, wütenden Bewegung die Rippen auseinander. Aber das Zerlegen war harte Arbeit, und als sie soweit waren, daß sie dem Tier das Fell abziehen konnten, war sein Ärger zum größten Teil verraucht.
Ayla war diese Arbeit durchaus vertraut, hatte sie sie doch viele Male allein verrichten müssen. Die Haardecke wurde dem Tier nicht so sehr abgeschnitten als vielmehr abgezogen. Hatte man sie erst einmal von den Beinen
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