Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
nicht,
zurückgehalten zu werden, und sie schien bereit, jeden
Augenblick einen Ausbruch zu unternehmen.
Barzec sah Ayla, drehte sich um und hielt nach seinen
Gefährten Ausschau, dann wandte er den Kopf wieder und
runzelte die Stirn. Da hatten sie sich soviel Mühe gegeben, und
nun drohte durch die Fremde die Gefahr, daß die Herde genau
in die falsche Richtung getrieben würde! Das wollte er nicht.
Latie schob sich neben ihn; die beiden beratschlagten sich leise,
doch er ließ die Frau und das Pferd die ganze Zeit über, da sie
näher herankamen, nicht aus den Augen.
»Wo sind die anderen?« fragte Barzec.
»Sie warten«, sagte Ayla.
»Worauf warten sie? Wir können die Wisente hier nicht ewig
zurückhalten.«
»Sie warten darauf, daß wir ihnen die Herde zutreiben.« »Wie sollen wir das machen? Dazu sind wir nicht genug. Sie
sind drauf und dran, einen Ausbruch zu wagen. Ich bin mir
nicht sicher, wie lange wir es schaffen, sie zurückzuhalten – ganz
zu schweigen davon, sie zurückzutreiben. Sie würden in Panik
geraten und ausbrechen.«
»Winnie treiben«, sagte Ayla.
»Das Pferd soll sie treiben?«
»Winnie nicht das erste Mal Wild treiben, aber besser, ihr
treibt auch.«
Danug und Druwez, die zusammen mit Barzec und Latie eine
auseinandergezogene Kette gebildet, die Herde beobachtet und
Steine nach den wenigen Tieren geworfen hatten, die sich den
flatternden Schildwachen näherten, kamen näher, um
mitzubekommen, was gesprochen wurde. Sie waren nicht
weniger verwundert als Barzec, doch ihre verminderte
Aufmerksamkeit eröffnete den Wisenten eine Möglichkeit und
beendete ihr Gespräch.
Aus den Augenwinkeln heraus sah Ayla einen jungen Stier
vorstürmen. Mehrere andere folgten ihm. Setzte sich erstmal die
ganze Herde verzweifelt und blindwütig in Bewegung, war alles
verloren. Ayla riß Winnie herum, ließ Speer und Speerwerfer
fahren, griff dafür nach dem flatternden Überwurf an einem der
Äste und jagte auf den Stier zu.
Sich vorlehnend, galoppierte sie geradewegs auf das
vorstürmende Tier zu und schwenkte dabei den Überwurf. Der
Wisent senkte den Kopf und wollte seitlich ausbrechen. Und
wieder fuhr Winnie herum, während Ayla dem Jungstier das
Leder ins Gesicht knallen ließ. Die nächste Ausweichbewegung
ließ ihn seinerseits herumfahren und auf das enge Tal
zustürmen, auf die Tiere zu, die hinter ihm hergeschossen
waren – und Winnie und Ayla, die wild mit dem Lederüberwurf
in der Luft herumfuhrwerkte, ihm dicht auf den Fersen. Noch ein Tier stürmte vor, doch auch dieses zwang Ayla zur
Umkehr. Winnie schien zu wissen, welches Tier als nächstes den
Ausbruch wagte, noch ehe die Wisente es selbst wußten, doch
waren es ebensosehr die unbewußten Signale der Frau an das
Pferd wie das instinktsichere Gespür der Stute, welche sie sich
jedesmal dem zotteligen Tier in den Weg stellen ließ. Bewußt
ausgebildet hatte Ayla Winnie zu Anfang nicht. Daß sie sich
dem Pferd überhaupt auf den Rücken gesetzt hatte, war aus purem Übermut geschehen; das Pferd beherrschen und lenken zu wollen war ihr dabei überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Das hatte sich erst nach und nach ergeben, als das gegenseitige Verstehen größer wurde und Ayla durch Schenkeldruck und behutsame Gewichtsverlagerung bestimmte Reaktionen bei dem Pferd hervorrief. Wiewohl sie diese Dinge schließlich bewußt einsetzte, hatte es stets ein zusätzliches Interaktionselement zwischen der Frau und dem Pferd gegeben, so daß sie sich häufig verhielten, als wären sie ein Leib, als
bestimmte beide ein einziger Geist.
In dem Augenblick, da Ayla handelte, erfaßten die anderen die
Situation und stürmten ihrerseits vor, um die Herde
aufzuhalten. Zwar hatte Ayla in der Vergangenheit mit Winnie
auch schon Herdentiere vor sich hergetrieben, doch ohne die
Hilfe der anderen wäre es ihr diesmal nicht gelungen, die
Wisente zum Umkehren zu bewegen. Die großen Tiere mit dem
buckelartigen Widerrist waren weit schwerer einzuschüchtern,
als sie angenommen hatte. Sie waren aufgehalten und immer
wieder zurückgescheucht worden, und Ayla hatte nie zuvor
versucht, Tiere in eine Richtung zu treiben, in die sie nicht
wollten. Es war, als ob irgendein Instinkt sie vor der Falle
warnte, die sie erwartete.
Danug eilte Ayla zur Hilfe, als es galt, einen jener Wisente
zurückzujagen, die als erste vorgeprescht waren; sie war so sehr
damit beschäftigt, den jungen Stier aufzuhalten, daß sie Danug
zuerst gar nicht bemerkte. Latie sah eines der
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