Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
folgen, beschloß Jondalar, zurückzuwandern und die verschiedenen Wasserarme der Mutter selbst zu überqueren.
Das war vernünftig. Obgleich manche Kanäle breit und am Rand zugefroren waren, reichte das eisige Wasser meist kaum bis zu den Flanken der Pferde. Erst am späten Abend dieses Tages wurde ihnen bewußt, daß sie endlich den Großen Mutter Fluß durchwatet hatten. Nach ihren gefährlichen Abenteuern mit anderen Flüssen war dies hier geradezu ein Kinderspiel gewesen. Sie waren darüber keineswegs traurig.
In der bitteren Winterkälte war schon das Reisen gefährlich genug. Die meisten Menschen saßen jetzt in warmen Hütten,
Freunde und Verwandte kümmerten sich darum, daß niemand zu lange draußen blieb. Ayla und Jondalar waren ganz auf sich gestellt. Wenn irgendetwas passierte, konnten sie sich nur auf-einander und auf ihre Tiergefährten verlassen.
Das Land begann langsam hügeliger zu werden, und sie bemerkten eine leichte Veränderung der Vegetation. Zwischen den Tannen und Kiefern in der Nähe des Flusses tauchten Föhren und Lärchen auf. Auf den Ebenen des Flußtals war es extrem kalt, oft kälter als in den umgebenden Bergen. Obwohl das Hochland, das sich zu ihrer Seite hinzog, von Schnee und Eis bedeckt war, schneite es im Flußtal selten. So mußten sie mit ihren Steinäxten Eis aus dem gefrorenen Fluß hacken und es schmelzen, um für sich und die Tiere Trinkwasser zu bereiten.
Das gab Ayla Gelegenheit, auf die Tiere zu achten, die die Ebenen im Tal der Mutter bevölkerten. Es waren dieselben Arten, die sie schon von den Steppen her kannte, die sie durch-wandert hatten; doch die Geschöpfe, die die Kälte liebten, be-herrschten das Feld. Sie wußte, daß diese Tiere von der trockenen Vegetation leben konnten, die überall auf den tiefgefrorenen, schneefreien Ebenen zu finden war; sie fragte sich jedoch, wie sie an Wasser kamen.
Vermutlich würden Wölfe und andere Fleischfresser ihren Flüssigkeitsbedarf zum Teil mit dem Blut der Tiere stillen, die sie jagten; außerdem zogen sie durch ein großes Gebiet und konnten Schnee- oder lose Eisklumpen ausfindig machen, die sie zerkauen konnten. Doch was war mit den Pferden und den anderen Weidetieren? Wie kamen sie an Wasser in einem Land, das im Winter zur gefrorenen Wüste erstarrte?
Ayla sah mehr Wollhaarnashörner, als sie jemals an einem Ort gesehen hatte, und meist waren dann auch die Moschusochsen nicht weit, selbst wenn sie keine Herden bildeten. Beide Arten bevorzugten das offene, windige, trockene Land, die Nashörner jedoch Gras und Riedgras, während die Moschusochsen sich, ihrer Ziegennatur gemäß, an Sträucher und Buschwerk hielten. Große Rentiere und Riesenhirsche teilten sich das gefrorene
Land, dazu gesellten sich Pferde mit dickem Winterfell; doch wenn es ein Tier gab, das aus der Bevölkerung des Tales am Oberlauf des Großen Mutter Flusses herausragte, dann war es das Mammut.
Ayla wurde nie müde, diese riesigen Tiere zu beobachten. Obwohl man sie gelegentlich jagte, waren sie so zutraulich, als wären sie gezähmt. Sie erlaubten der Frau und dem Mann oft, ganz nah heranzukommen, und sahen darin keine Gefahr. Gefahr bestand höchstens für den Menschen. Obgleich nicht die gewaltigsten Vertreter ihrer Art, waren die Wollhaarmammuts doch die riesigsten Tiere, die Menschen vermutlich jemals sehen würden; mit ihrem zotteligen Fell und ihren gewaltigen gebogenen Stoßzähnen sahen sie aus der Nähe größer aus, als Ayla sie in Erinnerung hatte.
Die Stoßzähne der Mammuts hatte nicht nur soziale Bedeutung, sie hatten auch einen praktischen Sinn. Sie dienten dazu, das Eis aufzubrechen; als Eisbrecher waren die Mammuts unschlagbar.
Das erste Mal hatte Ayla diesen Vorgang beobachtet, als eine Herde weiblicher Mammuts an den gefrorenen Fluß ging. Einige benutzten ihre Stoßzähne, die etwas kleiner und gerader waren als die Elfenbeinschäfte der männlichen Tiere, um Eis herauszubrechen, das sich im Schutz der Felsspalten verklemmt hatte. Zuerst wunderte sie sich, bis sie sah, wie ein kleines Mammut ein Stück mit dem Rüssel aufnahm und sich ins Maul steckte.
"Wasser!" sagte Ayla. "So kommen wir an Wasser, Jondalar. Das hat mich beschäftigt."
"Du hast recht. Ich habe darüber nie viel nachgedacht. Aber jetzt, da du es erwähnst, glaube ich, daß Dalanar so etwas sagte. Es gibt viele Sprichwörter über die Mammuts. Eins, das mir gerade einfällt, ist: >Geh nicht hinaus, wenn die Mammuts nach Norden ziehen. <
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