Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
dein Totem. Das würden die Leute sagen, bei denen ich aufgewachsen bin.« Sie wusste, dass Totems für die Zelandonii eine andere Bedeutung hatten als für den Clan. Nicht jeder hatte eines, aber diejenigen, die eins besaßen, galten als vom Glück begünstigt. »Ich geriet unter die Klauen eines Höhlenlöwen, als ich vielleicht fünf Jahre zählte. Diese Narben habe ich immer noch, und ich träume auch manchmal davon. Mit einem mächtigen Totem wie dem des Löwen oder des Wolfs zu leben, ist nicht leicht, aber mein Totem hat mir geholfen und mich viele Dinge gelehrt.«
Fast wider Willen war Sergenor fasziniert. »Was hast du von einem Höhlenlöwen gelernt?«
»Wie ich mich meinen Ängsten stellen kann, zum Beispiel«, antwortete sie. »Ich glaube, du hast dasselbe gelernt. Dein Wolfstotem könnte dir geholfen haben, ohne dass du es wusstest.«
»Mag sein, aber woher weiß man, dass ein Totem geholfen hat? Hat der Geist eines Höhlenlöwen dir tatsächlich beigestanden?«
»Mehr als einmal. Die vier Striemen der Löwenklauen auf meinem Bein sind das Clan-Totemzeichen für einen Höhlenlöwen. Für gewöhnlich erhält nur ein Mann ein derart starkes Totern, aber sie waren so eindeutig ein ClanZeichen, dass der Anführer mich aufnahm, obwohl ich bei den Anderen geboren wurde - das ist ihr Name für Menschen wie uns. Ich war sehr klein, als ich meine Leute verlor. Wenn der Clan mich nicht aufgenommen und großgezogen hätte, wäre ich jetzt nicht mehr am Leben«, erklärte Ayla.
»Interessant, aber du sagtest >mehr als einmal<«, erinnerte Sergenor sie.
»Später, als ich zur Frau wurde und der neue junge Anführer mich zwang, den Clan zu verlassen, bin ich lange gewandert und habe nach den Anderen gesucht, wie meine Clan-Mutter Iza mir aufgetragen hatte, bevor sie starb. Aber als ich die Anderen nicht finden konnte und einen Ort brauchte, an dem ich den Winter verbringen konnte, schickte mir mein Totem ein Löwenrudel, das mich zwang, die Richtung zu ändern, und mich in ein Tal führte, in dem ich überleben konnte. Mein Höhlenlöwe hat mich sogar zu Jondalar geführt.«
Die Menschen um sie herum lauschten Aylas Geschichte fasziniert. Sogar Jondalar hatte noch nie gehört, dass sie ihr Totem auf diese Weise erklärte. Einer meldete sich zu Wort.
»Diese Leute, die dich aufnahmen und die du den Clan nennst, waren das wirklich Flachschädel?«
»Das ist euer Name für sie. Sie selbst nennen sich der Clan, der Clan des Höhlenbären, weil sie alle den Geist des Höhlenbären verehren. Er ist das Totem von ihnen allen, das Clan-Totem«, erwiderte Ayla.
»Ich glaube, es wird Zeit, diesen Reisenden zu zeigen, wo sie ihre Schlaffelle ausbreiten und unterkommen sollen, damit sie eine Mahlzeit mit uns teilen können«, sagte eine Frau, die gerade dazugekommen war. Sie hatte eine rundliche Figur, ein schönes Gesicht und ein kluges, lebhaftes Blitzen in den Augen.
Sergenor lächelte sie voller Zuneigung an. »Das ist meine Gefährtin Jayvena von der Siebten Höhle der Zelandonii«, sagte er zu Ayla. »Jayvena, das ist Ayla von der Neunten Höhle der Zelandonii. Sie hat noch viel mehr Namen und Zugehörigkeiten, doch ich überlasse es ihr, sie dir zu nennen.«
»Aber nicht jetzt«, meinte Jayvena. »Im Namen der Mutter heiße ich dich willkommen, Ayla von der Neunten Höhle. Du möchtest dich bestimmt erst einmal einrichten, statt Namen und Zugehörigkeiten vorzutragen.«
Als sie sich zum Gehen wandten, berührte Sergenor Aylas Arm, blickte sie an und sagte dann leise: »Ich träume manchmal von Wölfen.« Ayla lächelte.
Gleich darauf kam eine üppige junge Frau mit dunkelbraunem Haar auf sie zu. Sie hielt zwei Kinder auf dem Arm, einen dunkelhaarigen Jungen und ein blondes Mädchen, und lächelte Kimeran an, der ihre Wange leicht mit seiner streifte und sich dann an die Besucher wandte. »Ihr habt meine Gefährtin Beladora letzten Sommer kennengelernt, nicht wahr?«, fragte er und fügte voller Stolz hinzu: »Und ihren Sohn und ihre Tochter, die Kinder meines Herdfeuers?«
Ayla erinnerte sich, der Frau im vergangenen Sommer kurz begegnet zu sein, ohne sie wirklich kennengelernt zu haben. Sie wusste, dass Beladora ihre Zugleichgeborenen beim Sommertreffen zur Welt gebracht hatte, etwa zur Zeit der ersten Hochzeitszeremonie, bei der Ayla und Jondalar miteinander verbunden worden waren. Alle hatten darüber geredet. Die beiden Kinder würden jetzt also bald ein Jahr zählen.
»Ja, natürlich.« Jondalar schenkte der Frau und
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