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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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dadurch entstanden waren, dass jemand die Hand an die Wand gelegt und rote Farbe darauf und ringsum versprüht hatte. Als die Hand fortgezogen wurde, blieb ein Umriss der Hand erhalten, umgeben von dem roten Ocker. Der Siebte wandte sich anschließend nach rechts in die Öffnung des gewölbten Gangs.
    Hinter den verschmierten Handabdrücken wurde der Stein an der Wand weich, als wäre er mit Ton überzogen. Die Höhle lag hoch über dem Boden des Flusstals und war innen einigermaßen trocken, doch der kalkhaltige Fels war von Natur aus porös, und mit Kalziumkarbonat getränktes Wasser sickerte ständig hindurch. Manchmal bildeten sich durch unendliche Tropfen über Jahrtausende hinweg riesige Stalagmiten, die wie Säulen aus dem Boden einer Kalksteinhöhle zu wachsen schienen, unter gleich großen, anders geformten Stalaktiten, die wie Eiszapfen von der Decke hingen. Manchmal jedoch sammelte sich das Wasser im Kalkstein und weichte die Oberfläche der Höhlenwände so auf, dass man mit dem bloßen Finger Zeichen hinterlassen konnte. In dem kleinen Raum zur Rechten waren weite Bereiche des weichen Steins entstanden, der die Besucher geradezu einlud, Zeichen anzubringen. Teile der Wände waren mit zum größten Teil wirren Fingerkritzeleien bedeckt, an einer Stelle erkannte man aber auch die Teilzeichnung eines Riesenhirsches, der an dem riesigen, schaufeiförmigen Geweih und dem kleinen Kopf zu erkennen war.
    Andere Zeichen und Tupfen in roter oder schwarzer Farbe waren an Stellen zu sehen, an denen die Oberfläche hart genug war, doch bis auf die Riesenhirsche hatte Ayla den Eindruck, als wäre der Raum voll mit planlosen Zeichen, die für sie keine Bedeutung hatten. Allerdings war ihr allmählich klar, dass niemand wusste, was all die Höhlenzeichnungen besagen sollten. Wahrscheinlich wusste es sogar nur die Person, die sie angebracht hatte, und vielleicht nicht einmal sie. Wenn eine Zeichnung an der Wand einer Höhle ein bestimmtes Gefühl auslöste, dann lag ihre Bedeutung genau darin. Es hing vom jeweiligen Geisteszustand ab oder davon, wie empfänglich man allgemein war. Ayla dachte daran, was der Siebte gesagt hatte, als sie ihn nach den Reihen der großen Tupfen gefragt hatte. Er hatte es sehr persönlich formuliert und ihr mitgeteilt, was sie ihm bedeuteten. Die Höhlen waren heilige Stätten, doch Ayla gewann immer mehr den Eindruck, dass diese Heiligkeit auf den Einzelnen bezogen war. Vielleicht sollte sie das auf dieser Reise lernen.
    Der Siebte wies sie noch auf weitere Markierungen und ein paar Tiere hin, während sie sich langsam durch die Höhle bewegten, doch die nächste Stelle, an der sie stehen blieben, war wirklich beeindruckend. Auf einem großen Wandbild waren zwei Pferde in Schwarz dargestellt, Rücken an Rücken, und ihre Körperumrisse waren mit großen schwarzen Tupfen ausgefüllt. Darüber hinaus gab es noch mehr Punkte und Handabdrücke außen um die Pferde herum, am ungewöhnlichsten aber war der Kopf des Pferdes, das nach rechts schaute. Der Kopf war recht klein, aber einer natürlichen Felsformation angepasst, die einem Pferdekopf ähnlich war und den gezeichneten Kopf umrahmte. Die Form des Felsens selbst hatte dem Künstler gesagt, dass hier ein Pferd zu zeichnen war. Alle Besucher waren zutiefst beeindruckt. Die Erste hatte das Pferdebild schon einmal gesehen und lächelte dem Siebten zu. Sie hatten beide gewusst, was sie erwartete, und sie freuten sich, dass sie die Reaktion bekamen, mit der sie gerechnet hatten.
    »Weißt du, wer das gemalt hat?«, fragte Jonokol. »Ein Vorfahr, aber nicht aus alter Zeit. Ich möchte euch ein paar Dinge zeigen, die ihr vielleicht nicht auf den ersten Blick bemerkt.« Der Siebte trat näher an das Bild heran. Er hob die linke Hand über den Rücken des nach links schauenden Pferdes und knickte den Daumen im Gelenk ab. Als er die Hand neben einen roten Umriss hielt, wurde deutlich, dass der Umriss kein Handabdruck war, sondern ein abgeknickter Daumen. Jetzt, nachdem er darauf hingewiesen hatte, sahen sie mehrere Umrisse angewinkelter Daumen entlang des Pferderückens.
»Warum wurde das gemacht?«, fragte ein junger Gehilfe.
»Das müsste man den Zelandoni fragen, der es gemacht hat«, antwortete der Siebte.
»Aber du hast gesagt, ein Vorfahr habe es gemalt.«
»Ja.«
»Dieser Vorfahr reist doch jetzt durch die nächste Welt.«
»Ja.«
»Wie kann ich ihn dann fragen?«
Der Siebte lächelte den jungen Mann nur an, der die Stirn nervös in Falten

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