Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Zelandoni der Vierzehnten: »Es braucht seine Zeit, um eine entsprechende Zeremonie in die Wege zu leiten. Vielleicht sollten wir bis zum nächsten Jahr warten. Das Sommerlager ist fast zu Ende. Bald kehren alle zurück.«
»Ja«, pflichtete der Zelandoni der Dritten rasch bei. »Vielleicht ist es am besten, wenn alle Zelandonia es sich eine Zeit lang durch den Kopf gehen lassen und jeder es seiner eigenen Höhle auf seine Art sagt.«
»Die Zeremonie findet in drei Tagen statt, und Ayla wird die Strophe vortragen«, verkündete die Erste mit Nachdruck. »Ayla hat die Gabe erhalten. Ihr steht es zu, es den anderen zu sagen. Es ist ihre Pflicht. Zu dem Zweck wurde sie in diesem Sommer berufen und zu diesem Sommertreffen geschickt.« Die Erste sah die Versammelten gebieterisch an, dann wurden ihre Züge weicher, ihr Ton einschmeichelnder. »Wäre es nicht besser, wenn wir das jetzt hinter uns bringen? Der Sommer geht allmählich zur Neige, in der kurzen Zeit, bevor wir alle aufbrechen, können nicht mehr allzu viele Schwierigkeiten auftreten - und ich versichere euch, es wird Probleme geben. Dann haben wir den ganzen Winter Zeit, unsere jeweiligen Höhlen an diese neue Vorstellung zu gewöhnen. Bis zum nächsten Sommer sollten dann alle Schwierigkeiten bereits ausgeräumt sein.«
Die Erste wünschte, sie könnte ihren eigenen Worten Glauben schenken. Im Gegensatz zu den anderen Zelandonia dachte sie seit vielen Jahren - schon lange vor ihrem ersten Gespräch mit Ayla - über den Beitrag des Mannes bei der Entstehung von neuem Leben nach. Dass Ayla eigenständig zu einem ähnlichen Schluss gekommen war, war einer der Gründe, weshalb sie die junge Frau im Kreis der Zelandonia wissen wollte. Ihre Beobachtungsgabe war sehr scharf, und ihr Denken war nicht durch die Ansichten der Zelandonii eingeschränkt, da sie nicht unter ihnen aufgewachsen war.
Sobald Ayla ihr das Erlebnis in der Grotte beschrieben hatte, war für Zelandoni deshalb klar gewesen, dass der Gedanke allgemein verkündet werden müsste, solange noch alle hier versammelt waren - und solange die Zelandonia noch mit ihrer Verblüffung zu schaffen hatten. Sie selbst hätte die Zeremonie für den nächsten Tag angesetzt, wenn es möglich gewesen wäre, alles dafür Notwendige rasch in die Wege zu leiten.
Wie so oft, wenn sie vorgab zu meditieren und ihre Umgebung scheinbar nicht wahrnahm, wartete sie auch jetzt einfach ab und beobachtete, wie die Zelandonia erste Pläne entwarfen. Zunächst gaben sie sich zögerlich.
»Vielleicht wäre es gut zu versuchen, Aylas Erfahrung noch einmal darzustellen«, hörte sie den Elften sagen.
»Wir brauchen ja nicht ihr ganzes Erlebnis zu wiederholen, nur das Wesentliche«, meinte die Dreiundzwanzigste.
»Gut wäre es, wenn wir eine Höhle hätten, in der alle Platz haben.« Der Vorschlag kam von der Zelandoni der Zweiten Höhle.
»Die Dunkelheit der Nacht wird wohl die Höhlenwände ersetzen«, entgegnete der Fünfte. »Und wenn in der Mitte ein einziges Feuer brennt, konzentrieren sich alle darauf.«
Gut, dachte die Erste, als sie die Doniers miteinander sprechen hörte. Sie überlegen sich eher, wie sie die Zeremonie gestalten sollen, als dass sie Einwände dagegen erheben.
»Beim Lied von der Mutter sollten Trommeln spielen.«
»Und es sollte gesungen werden.«
»Aber die Neunte singt nicht.«
»Ihre Stimme ist unverkennbar, das tut nichts zur Sache.«
»Es können Stimmen im Hintergrund singen, ohne Worte, nur der Klang.«
»Wenn der Trommelrhythmus allmählich langsamer wird, steigert das die Wirkung des Liedes von der Mutter, vor allem am Ende, wenn sie die letzte Strophe rezitiert.«
Zunächst war Ayla verstört ob der vielen Aufmerksamkeit, als immer mehr Vorschläge für ihren Anteil an der Zeremonie vorgebracht wurden, aber nach einer Weile beteiligte auch sie sich an den Überlegungen. »Die Gäste von den Mamutoi, die beiden jungen Männer Danug und Druwez, können Trommeln so spielen, dass sie wie eine Sprechstimme klingen. Es ist ein bisschen unheimlich, aber auch sehr geheimnisvoll. Ich glaube, wenn sie ihre Trommeln mitgebracht haben oder ähnliche finden, könnten sie die letzte Strophe auf ihnen vortragen.«
»Das würde ich vorher aber gerne hören«, sagte die Vierzehnte.
»Natürlich«, erwiderte Ayla.
Ayla verstand das Verhalten von Menschen weit besser, als ihr bewusst war, und sie besaß viel mehr Feingefühl und Wissen, als sie ahnte. Die Taktik Zelandonis, Die Die Erste Ist, die Zelandonia dazu
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