Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
empfindlich er auf jede noch so kleine Bemerkung reagierte, er könnte mit den Flachschädeln verwandt sein.
Er nennt sie Tiere, dachte sie, aber das stimmt nicht! Warum behaupten manche das trotzdem? Ayla fragte sich, ob Brukeval wohl immer noch so empfände, wenn er die ClanLeute besser kennen würde. Wahrscheinlich würde das jedoch nichts bewirken. Viele Zelandonii waren derselben Ansicht wie er.
Die Erste hatte allen in Erinnerung gerufen, dass Brukevals Großmutter nicht ganz bei Sinnen gewesen war, als sie zu ihrer Höhle zurückkehrte, und dass sie schwanger gewesen war. Alle sagen, sie wäre in der Zeit beim Clan gewesen, dachte Ayla, und das muss wohl stimmen. Es ist unverkennbar, dass Brukeval Merkmale des Clans an sich hat, also muss sie während ihrer Zeit dort schwanger geworden sein. Das bedeutet, dass irgendein Clan-Mann seinen Lebenssaft in sie abgegeben haben muss.
Plötzlich kam Ayla ein völlig neuer Gedanke. Vielleicht, überlegte sie sich, hat sich ein Clan-Mann ihr immer und immer wieder aufgedrängt? So wie Broud bei mir? Ich war auch nicht ganz bei Sinnen, wenn er mir das antat, und ich hielt sie nicht für Tiere. Sie haben mich großgezogen, ich liebte sie. Nicht Broud, den habe ich gehasst, schon bevor er mich gezwungen hat, aber die meisten anderen habe ich geliebt.
So hatte Ayla es nicht bedacht, als sie die Geschichte das erste Mal hörte. Denkbar war es. Vielleicht hatte der Mann sie aus Gehässigkeit gezwungen, wie Broud, aber vielleicht hatte er auch geglaubt, ihr einen Gefallen zu tun, womöglich hatte er sie als seine zweite Frau betrachtet und sie damit in den Clan aufgenommen. Doch für diese Frau hätte sich nichts geändert. Sie hätte es nicht so gesehen, dachte Ayla. Sie konnte nicht mit ihnen reden, konnte sie nicht verstehen. Für sie waren die Clan-Leute Tiere. Für Brukevals Großmutter muss es noch viel schlimmer gewesen sein als für mich, wenn Broud mich zwang.
Und sosehr ich mir das Kind auch wünschte, als Iza mir sagte, ich sei schwanger, war es schwer für mich. Als ich Durc erwartete, war mir die ganze Zeit übel, und bei der Geburt wäre ich fast gestorben. Die Clan-Frauen hatten nicht solche Schwierigkeiten, aber Durcs Kopf war so viel größer und härter als Jonaylas.
In den vergangenen Jahren hatte Ayla genügend Frauen während der Schwangerschaft und Geburt begleitet, um zu wissen, dass Jonaylas Geburt im Vergleich zu der Durcs eher so verlaufen war, wie es bei Frauen der Anderen üblich war. Ich weiß gar nicht, wie ich es geschafft habe, ihn aus mir herauszupressen, dachte sie. Die Köpfe der Anderen sind kleiner, die Knochen dünner und geschmeidiger. Unsere Arme und Beine sind zwar länger, aber die Knochen sind feiner, überlegte Ayla und betrachtete ihre eigenen Gliedmaßen. Alle Knochen der Anderen sind zarter.
War es Brukevals Großmutter während der Schwangerschaft übel? Hatte sie eine ebenso schwere Geburt wie ich? Sogar Joplaya hätte die Geburt von Bokovan beinahe nicht überlebt, dabei ist Echozar nur zur Hälfte Clan. Ist ein Kind »gemischter Geister«, ein Kind, das eine Mischung aus Clan und Anderen ist, für eine Frau der Anderen immer schwer zu gebären? Bei dem Gedanken stutzte Ayla. War das der Grund, weshalb solche Kinder ursprünglich als Scheusal bezeichnet wurden? Weil sie manchmal den Tod der Mutter verursachten?
Es gibt Unterschiede zwischen dem Clan und den Anderen. Vielleicht nicht so viele, dass kein Kind begonnen werden kann, aber doch genug, um einer Mutter der Anderen Schwierigkeiten zu bereiten, die gebaut sind, um Kinder mit kleineren Köpfen zu gebären. Für Clan-Frauen ist es vielleicht nicht so schwer. Sie sind Kinder mit großen, langen, harten Köpfen und starken Brauenwülsten gewohnt. Für sie ist es vermutlich leichter, ein Kind »gemischter Geister« zu gebären.
Allerdings glaube ich nicht, dass solche Kinder unbedingt sehr kräftig sind, gleichgültig, ob die Mutter nun eine Frau des Clans oder der Anderen ist. Durc war stark und gesund, obwohl die Schwangerschaft für mich so schwierig war, aber Echozar auch, und seine Mutter war Clan. Bokovan ist gesund, aber bei ihm liegt es etwas anders. Echozar, sein Vater, ist die erste Mischung, also ist Bokovan wie Brukeval. Trotzdem wäre Joplaya bei seiner Geburt fast gestorben. Ayla wurde bewusst, dass sie das Wort »Vater« fast schon selbstverständlich gebrauchte. Es war so logisch, und das Verhältnis war ihr bereits seit langem klar.
Aber Rydag war
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