Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
aufgetragen, unentwegt zu singen, damit wir uns an dem Gesang festhalten konnten und es etwas gab, das uns an diese Welt band und uns helfen würde zurückzufinden.« Zögernd blickte sie in den leeren Becher in ihrer Hand und fuhr leise fort: »Ich weiß zwar nicht, wie, aber Mamut meinte, Jondalar habe geholfen, uns zurückzubringen.«
»Wir werden dafür sorgen, dass alle Zelandonia da sind. Sie haben gelernt, lange zu singen. Ist es wichtig, was gesungen wird?«, fragte die Erste.
»Ich glaube nicht. Nur etwas Bekanntes.«
»Und wann sollen wir das Experiment durchführen?« Zelandoni fand die Vorstellung aufregender, als sie gedacht hatte.
»Ich glaube, das spielt keine Rolle.«
»Morgen im Lauf des Tages? Sobald du alles beisammenhast?«
Ayla zuckte mit den Schultern, als wäre es ihr gleichgültig. In dem Moment war es das auch. »Warum nicht?«, antwortete sie nur.
J ondalar war ebenso unglücklich und verzweifelt wie Ayla. Seit der großen Zeremonie, bei der alle den Grund für die Existenz der Männer erfahren hatten, war er allen aus dem Weg gegangen. An bestimmte Teile der Nacht erinnerte er sich nur vage. Er wusste noch, dass er Laramar immer wieder ins Gesicht geschlagen hatte, und das Bild, wie der Mann sich auf Ayla auf und ab bewegte, bekam er nicht aus dem Kopf. Als er am nächsten Tag aufwachte, dröhnte ihm der Schädel, ihm war schwindelig und sehr übel. Er konnte sich nicht erinnern, dass er sich nach irgendeinem Fest derart elend gefühlt hatte, und fragte sich, was wohl in dem Getränk gewesen war.
Danug war bei ihm, und Jondalar glaubte, ihm dankbar sein zu müssen, wusste aber nicht, wofür. Er stellte ihm Fragen, versuchte, die Lücken in seinem Gedächtnis zu füllen. Als Jondalar schließlich erfuhr, was er getan hatte, stand ihm alles wieder deutlich vor Augen, und Entsetzen, Scham und Reue überfielen ihn. Zwar hatte er Laramar nie besonders leiden können, aber was immer der Mann getan haben mochte, war nicht so schlimm wie das, was Jondalar ihm angetan hatte. In seinem Selbsthass konnte er an nichts anderes denken. Er war überzeugt, dass alle ihn nicht minder verachteten und dass Ayla ihn unmöglich noch lieben konnte. Warum sollte jemand einen derart verabscheuungswürdigen Menschen schon lieben?
Ein Teil von ihm wollte alles hinter sich lassen und einfach fortgehen, in weite Ferne ziehen, aber etwas hielt ihn zurück. Er sagte sich, er müsse sich seiner Strafe stellen, zumindest herausfinden, worin sie bestand, und irgendeine Wiedergutmachung leisten. Er wollte nicht gehen, ohne die Dinge zu einem Abschluss gebracht zu haben. Und im Grunde seines Herzens wusste er nicht, ob er Ayla und Jonayla einfach so verlassen konnte. Der Gedanke, die beiden nicht mehr zu sehen, war unerträglich.
Er empfand nichts als Schmerz, Schuld und Verzweiflung. Ihm wollte keine Möglichkeit einfallen, wie er sein Leben wieder in Ordnung bringen konnte, und sobald er jemanden sah, war er überzeugt, dass die Person ihn mit derselben Verachtung und dem Abscheu betrachtete, die er sich selbst gegenüber empfand. Zum Teil gingen seine Selbstvorwürfe darauf zurück, dass er sich natürlich nichtswürdig verhalten hatte, aber sosehr er sich auch schämte, sobald er nachts auf der Schlafstatt die Augen schloss, sah er Laramar auf Ayla liegen und wurde erneut von Zorn übermannt. Wenn er ganz ehrlich war, wusste er, dass er sich unter denselben Umständen wieder so verhalten würde.
In diesem Kreis drehten sich Jondalars Gedanken unablässig. Wie ein beharrliches Jucken, als müsste er ständig am Schorf einer kleinen Verletzung kratzen, die deswegen nie verheilte, sondern immer schlimmer wurde, bis eine schwärende Wunde entstand. Er vermied es, anderen Menschen zu begegnen, und unternahm lange Wanderungen, meist stromaufwärts am Hauptfluss entlang. Jeden Tag ging er ein Stück weiter und blieb etwas länger aus, aber immer erreichte er einen Punkt, an dem er nicht weitermarschieren konnte, sondern umkehren und zurückgehen musste. Bisweilen ritt er mit Renner auf die offene Grasebene hinaus. Aber er widerstand dem Drang, das allzu oft zu machen, denn dann fühlte er sich am meisten versucht, einfach nicht mehr zum Lagerplatz zurückzukehren. Auch an diesem Tag wollte er loswandern und das Sommertreffen weit hinter sich lassen.
Ayla hatte sich überlegt, für ihr zeremonielles Bad zu dem Tümpel im kleinen Bach zu gehen, und da hatte sie natürlich auch an Jondalar denken müssen. Aufgrund der Ruhe
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