du mir genannt hast.«
»Diesen Namen habe ich dir nicht genannt. Du bist diejenige, die durcheinander ist, Mut.«
»Ich war mir ganz sicher.«
»Nun, es stimmt aber nicht. Und was geschah schließlich mit deinem Mann?«
»Er kam nach Broadmoor. Wahrscheinlich ist er inzwischen draußen, bestimmt schon lange. Sie werden ja heute nur ein paar Monate festgehalten. Simon meint, das sei absolut falsch. Aber man streitet immer noch über den Fall. Es ist andauernd in den Nachrichten. Da wirst du es ganz sicher auch gesehen haben.«
»So wird es wohl gewesen sein, Mut. Im Augenblick komme ich nicht dazu, mir über so etwas Gedanken zu machen.«
Aber natürlich war es schwierig, sich darüber keine Gedanken zu machen. Männer und ihre Träume! Ein Mann, den es zum Verbrechen treibt, eine ganz und gar schreckliche Vorstellung. Der andere zermürbt von Problemen und nahezu mit Gewißheit auf den eigenen Ruin und den seiner Familie zusteuernd.
Das Desaster stand nicht unmittelbar bevor, da sie einige Ersparnisse hatten, auf die sie zurückgreifen konnten, aber schließlich mußte Melvin ins Krankenhaus eingeliefert werden. Wahrscheinlich wäre das schon früher geschehen, wenn es ein Bett für ihn gegeben hätte.
Noelle begann die Stellenanzeigen in der Regionalzeitung, von der sie zu diesem Zweck einzelne Nummern kaufte, zu lesen, zunächst allerdings nicht sehr systematisch. Sie ertappte sich sogar dabei, wie sie die Angebote und Kleinanzeigen im Fenster des Ladens betrachtete.
Woche um Woche verging, und während es immer dringlicher wurde, vernünftig zu sein, wurde es auch immer schwieriger. Noelle vermutete, daß die Ärzte ratlos waren, obwohl sie das naturgemäß nicht zugaben. Sie selbst hatte begonnen, das Leben als Ganzes als so unergründlich wie nie zuvor zu betrachten. Es war fast unmöglich zu entscheiden, welche Schritte angemessen gewesen wären.
Judith hatte angefangen, auf viele verschiedene Arten zu kränkeln, zwei oder drei davon zur gleichen Zeit, und machte dabei umstandslos deutlich, daß die Wurzel aller Übel in ihren Ängsten um ihren Vati und in ihren Zweifeln an ihrer Mami lag. Agnew andererseits hatte seine Unrast abgelegt und war ein ganz netter kleiner Junge geworden. Es war, als würde ein freilaufender Jungstier aufhören, sich hetzen und treiben zu lassen. Noelle begann, ihm allmählich Vertrauen zu schenken, sich in weniger wichtigen Dingen ganz auf ihn zu verlassen. Früher war sie nie fähig gewesen, mit ihm zu reden, sich bei ihm beliebt zu machen und ihm zu vertrauen.
Eines Abends klingelte das Telephon. Es war nach elf.
»Steh bitte auf, Liebling«, sagte Noelle zu Agnew, dessen zerzauster Kopf auf ihrem Schoß lag. »Nur eine Sekunde.« Agnew reagierte sehr entgegenkommend.
»Hallo. Du bist’s, Mut.«
»Komm am Freitag zu unserer Party. Tut mir leid, daß ich dich so spät einlade. Es werden die üblichen Leute da sein und das übliche Drumherum.«
»Ich glaube nicht, daß ich sollte.«
»Es würde dich auf andere Gedanken bringen.«
»Nein, nicht eigentlich.«
Agnew starrte sie mit großen Augen an, wenngleich weniger groß als jene anderen Augen, die sie so oft vor sich sah.
»Trotzdem vielen Dank«, sagte Noelle. »Es ist lieb von dir.«
»Wie geht es denn eigentlich Melvin?«
»Schlechter, soweit ich das beurteilen kann. Die Ärzte scheinen vor einem Rätsel zu stehn.«
»Ganz im Ernst, Noelle, ich denke, es ist an der Zeit, ihn nach Hause zurückzuholen. Wo er jetzt ist, führt ein Blinder den anderen.«
Agnew war vom Fußboden aus an ihr hochgekrochen und schmiegte sein Gesicht an ihren Oberschenkel.
»Du hast wahrscheinlich recht, Mut. Aber du weißt, wie miserabel ich als Krankenschwester bin. Du weißt aus eigener Erfahrung, was für ein hoffnungsloser Fall ich bin.«
»Weiß ich«, sagte Mut. »In diesem Fall kann ich dir nur empfehlen, zu der Party zu kommen. Zumindest wird es dich auf andere Gedanken bringen.«
»Davon bin ich nicht überzeugt. Letztes Mal hat es das nicht getan.«
Agnew löste sich von Noelle. Er wäre beinahe erstickt.
»Du meinst den geheimnisvollen Mann. Simon hat, was ihn angeht, eine neue Idee. Nach deiner Beschreibung glaubt er, kann es nur ein Mann namens John Martingale gewesen sein, der ganz in der Nähe lebt. Er soll einen wunderschönen Garten haben.«
»Ich will nicht darüber sprechen«, entgegnete Noelle. »Das Ganze hat viel zu weite Kreise gezogen. Ich werde dir eines Tages davon erzählen.«
»Die ganze
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