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Sache ist bestimmt ein Hirngespinst, wie ich dir gesagt habe.«
    »Ja – und doch wieder nicht«, sagte Noelle.
    »So ist das also!« sagte Mut. »Dann komm zu unserer Party und mach dich von zwei Dingen frei. Ich glaube, du brauchst ganz entschieden Abwechslung.«
    »Danke, Mut, aber es geht nicht. Wirklich nicht. Bitte frage mich beim nächsten Mal wieder.«
    »Ja, natürlich werde ich das. Alles Gute für Melvin. Auch von Simon.«
    Als sie den Hörer auf die Gabel legte, hatte Noelle den Eindruck, daß Agnew seine Glieder im Stil eines kleinen Götzenbilds aus Speckstein, allerdings in leuchtenden Farben, eng um den Körper geschlungen hatte. Er hockte da wie ein heiliges Kätzchen. Niemals in früheren Jahren, nicht einmal, als er noch ein Baby war, hatte sie etwas so Seltsames und zugleich so Zweideutiges bei ihm bemerkt.
    »Na, Liebling?« fragte sie ein wenig vorsichtig.
    Er sah sie an und kroch zu ihr zurück. Sie nahm ihn hoch, setzte ihn auf ihr Knie und drückte ihn an sich.
    Fast genau in diesem Augenblick klingelte erneut das Telephon. Noelle hielt Agnew fest und schaffte es, ihren Arm auszustrecken, wobei sie neuerliches Drängen ihrer besten Freundin Mut erwartete.
    »Ja, ich bin’s«, sagte sie in Muts Tonfall und drückte Agnew.
    Aber es war nicht Mut.
    »Mrs. Corcoran am Apparat?«
    »Ja.«
    »Mrs. Melvin Corcoran?«
    »Ja.«
    »Dann werden Sie mich aus dem Krankenhaus kennen. Leider habe ich schlechte Nachrichten für Sie.«
     
    Etwa eine halbe Meile entfernt wohnte eine Frau namens Kay Steiner. Wenn Noelle in Melvins Abwesenheit auf Parties gegangen war, hatte Kay Steiner fast immer die Kinder die Nacht über zu sich genommen. Es schien ihnen fast gefallen zu haben, zu ihr zu gehen. Sie lobten das Essen und schienen beide auf die Art, wie sie mit ihnen umging, anzusprechen. Mrs. Steiner hatte keine eigenen Kinder, aber sie war keine Witwe, wie oft vermutet worden war. Es war nur so, daß ihr Mann, Franklin Steiner, häufig über längere Zeit nicht zu Hause war. Noelle konnte sich nicht entsinnen, jemals gehört zu haben, was er während dieser Zeit oder überhaupt tat, aber er machte auf seine Art einen ganz netten Eindruck, wenn man ihm gelegentlich begegnete. Was Kay Steiner anging, konnte es überhaupt keinen Zweifel geben. Kay war ein Schatz.
    Nach dem Begräbnis, dem mehrere Leute beiwohnten, die unerwartet erschienen, und darüber hinaus kaum jemand, den die Hinterbliebenen kannten, sprach Noelle in Ruhe mit dem Anwalt, der geäußert hatte, daß es sinnvoll sei, die Lage der Dinge so bald wie möglich zu überschlagen.
    Er erkundigte sich, ob Mr. Mullings, der einer der Testamentsvollstrecker war, ihrem Gespräch beiwohnen dürfe. Noelle hatte Melvins Freund Ted Mullings einige Male zu Mittag oder Abend bewirtet, und anschließend hatte er in ihrem Hause übernachtet; sie wußte, daß der andere Testamentsvollstrecker, der ein wenig älter war, nur der Form halber hinzugezogen worden war. Ted Mullings hatte bereits beim Begräbnis eine herausragende Rolle gespielt; er war den weiten Weg von seinem Zuhause bei Sandgate mit seinem Jaguar gefahren, wofür er sich einen Tag von seiner Arbeit freigemacht hatte. Am Ende der Diskussion, die recht kurz ausfiel, erschien die Zukunft, die sich vor Noelle und den beiden Kindern auftat, so offen wie nur irgend möglich. Sie würde eine vollkommen neue Welt für sie drei schaffen müssen. Noelle war weiß wie die Wand. Was die Amerikaner challenge nennen, hatte nie ihre besten Seiten zum Vorschein gebracht.
    Sie hatten nach der Beisetzung gemeinsam Tee getrunken, und Kay Steiner hatte während des kurzen Gesprächs mit den Juristen stillschweigend einen kleinen zweiten Imbiß als Wegzehrung für die Männer vorbereitet.
    Während sie versuchte, ihre fünfte oder sechste Tasse Tee herunterzubringen, dachte Noelle daran, daß sie in weniger als drei Wochen 38 werden würde. Kay Steiner wußte das nicht, während Mut natürlich ihr Alter kannte, aber nicht herumerzählte, zumindest blieb sie der Wahrheit nicht treu. Die Kinder wußten um den Tag und nahmen naturgemäß an der Feier teil, über die nackten Tatsachen hatte man sie indes im unklaren gelassen. Vielleicht mußten sie für lange Zeit nichts erfahren. Noelle dachte daran, wie eigenartig es war, daß sie zum Requiem ihres Mannes ganz alltäglich gekleidet war.
    Jeder konnte sehen, daß sie erschöpft war. Kay, die Gute, machte den Vorschlag, Judith und Agnew ein paar Tage zu sich zu nehmen, so

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