aufmerksam geworden wäre. Es war ein rechteckiges Zelt aus sehr schmutziger, rot weißgestreifter Leinwand, und über der zerknitterten Eingangsklappe befand sich eine grob getischlerte, dunkel gestrichene waagrechte Tafel, auf der in ausgeblichenen goldenen Lettern D IE S CHWERTER geschrieben stand. Das war alles. Obwohl die Nacht rasch heraufzog, gab es weder Licht vor dem Zelt, noch war ein Lichtschein aus dem Innern zu sehen. Man hätte denken können, es handelte sich um eine Art Lager oder Laden.
Aus irgendeinem Grund streckte ich meine Hand aus und berührte die herabhängende Klappe. Mit Sicherheit hätte ich nicht gewagt, sie tatsächlich beiseite zu ziehen, um hineinzuspähen; aber die bloße Berührung war bereits genug. Die Klappe wurde augenblicklich zurückgezogen, und ein junger Mann stand da und machte eine Drehbewegung mit dem Kopf, als wolle er mich hineindirigieren. Ich sah sofort, daß im Innern irgendeine Show im Gange war. Ich hatte eigentlich nicht die geringste Lust zuzusehen, war mir aber darüber im klaren, daß ich das Bild eines Vollidioten abgeben würde, wenn ich einfach über den Rummelplatz, klein wie er war, davonrannte.
»Zwei Schilling«, sagte der junge Mann, ließ die schmutzige Klappe fallen, und streckte mir eine nicht minder schmutzige Hand entgegen. Er trug einen geflickten grünen Pullover, der trotzdem voller Löcher war, dreckige graue Hosen und noch dreckigere Strandschuhe. Schierer Schmutz beherrschte meinen ersten Eindruck von der Örtlichkeit so sehr, daß ich schließlich doch noch davongelaufen wäre, hätte ich eine Möglichkeit dazu gesehen. Ein solches Maß an Trostlosigkeit war mir an den übrigen Buden bisher nicht aufgefallen.
Weglaufen kam aber nicht in Frage. Im Innern des Zeltes befanden sich nur sehr wenige Leute. Über den nackten, holprigen Boden, aus dessen hartem Untergrund Ziegelsteine und Glasscherben ragten, waren 20 oder 30 Holzstühle verteilt, die samt und sonders nicht zueinander zu passen schienen; die meisten waren auf die ein oder andere Weise zerbrochen oder beschädigt, angestoßen und mit abgeblättertem Lack.
Auf diesen unbequemen Stühlen verlor sich ein siebenköpfiges Publikum. Ich weiß, daß es sieben waren, weil ich sie ohne Mühe zählen konnte und weil ihre Zahl bald von Bedeutung sein sollte. Ich war der achte. Jeder war für sich allein, und es waren ausschließlich Männer – Männer diesmal, keine Jungen. Ich nehme an, daß ich bei weitem der jüngste unter ihnen war.
Und etwas wie diese Show ist mir seither nicht wieder begegnet. Auch nicht in Büchern. Jedenfalls nicht in genau der gleichen Weise.
Es gab eine Art niedriger Bühne aus dunklem, verfärbtem Holz, die an die Rückseite des Zeltes grenzte – möglicherweise direkt an die Fabrikmauer. Ein stämmiger Kerl stand darauf und machte eine reichlich ungehobelte Ansage. Er hatte straffgelocktes gelbes Haar von der Farbe billiger Limonade, darin bereits einen Anflug von Grau, ein breites rotes Gesicht mit einer platten Nase und Lippen von sehr dunklem Purpur, dazu kleine Augen und Ohren. Die Ohren schienen nicht genau einander gegenüberzuliegen – ich hoffe, man versteht, was ich damit sagen will. Er machte für das Auge nicht viel her, obwohl ich den Eindruck gewann, daß er sehr kräftig war und es wohl einhändig mit uns allen, die wir in dem Zelt waren, hätte aufnehmen und als Sieger daraus hervorgehen können. Sein Alter konnte ich nicht schätzen, weder damals noch später. (Ja, ich habe ihn wiedergesehen – zweimal.) Ich würde vermuten, daß er auf die 50 zuging, und er war augenscheinlich nicht in sonderlich guter körperlicher Verfassung, dennoch schien er mit mehr Sehnen und Muskeln ausgestattet zu sein als die meisten. Er war genauso gekleidet wie der junge Mann am Eingang, mit dem Unterschied, daß der Pullover des Kerls auf der Bühne nicht grün, sondern dunkelblau war, als sei er ein Seemann oder gebe zumindest vor, einer zu sein. Er trug die gleichen schmutzig-grauen Hosen und Strandschuhe wie der andere.
Man hätte annehmen können, daß es sich hier um eine Art Boxbude handelte.
Aber dem war nicht so. Zur Linken des Kerls (unmittelbar vor meinem Platz am Rand der hintersten Reihe) saß, den Blick uns zugekehrt, ein Mädchen ausgestreckt in einem hochlehnigen Segeltuchstuhl, der ebenso verschossen und mitgenommen war wie alle anderen Bestandteile der Einrichtung. Sie war herausgeputzt wie ein französisches Revuemädchen und trug ein
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