0005 - Ich griff »Nummer eins«
mich an die Funksprechanlage und schaltete mich in den Verkehr zwischen den Streifenfahrzeugen und der Zentrale ein. Du lieber Himmel, war das ein Salat. Die Direktion und die Aktionäre der Fairlane-Gesellschaft mögen mir verzeihen, aber ich wünschte in dieser Nacht inständig, ihr Wagen wäre nicht so gefragt. In New York schien es nur Fairlanes zu geben, überdies nur solche mit schwarzem Lack.
Ununterbrochen rasselten die Meldungen der Streifen.
»Schwarzer Fairlane Nummer S 5894 gesichtet. Sollen wir folgen?«
»Folgen!« bestimmte die Zentrale.
»Schwarzer Fairlane. Nummer C 3967.«
»Folgen!«
Innerhalb einer knappen Stunde gab es in New York keinen Streifenwagen mehr, der nicht hinter einem schwarzen Fairlane herschlich. Dabei passierten die niedlichsten Dinge. Streifenwagen 93 zum Beispiel sichtete, während er dem schwarzen Fairlane Nr. D 1977 folgte, einen schwarzen Fairlane Nr. B 5558, und die Besatzung stieß einen verzweifelten Hilferuf aus: »Welchem sollen wir folgen?« Auf diese Frage wußte auch die Zentrale keine Antwort. Wagen 12 begleitete einen Fairlane zu einer einsamen Stelle unter hohen Kastanienbäumen. Dort stoppte der verfolgte Wagen und löschte die Lichter.
»Was tun?« fragte die Besatzung.
»Nachsehen!« entgegnete die Zentrale.
Zwei Minuten später kam das Ergebnis durch den Äther: »Liebespaar«.
Fairlanes wurden verfolgt, die sich irgendwo auf Parkplätzen häuslich niederließen, während ihre Besitzer eine Bar aufsuchten, Fairlanes, in denen müde Vertreter mit Musterkoffern nach Hause fuhren, Fairlanes, die ihr Fahrer in die Garage eines braven Bürgerhauses steuerte.
Die Fairlane-Aktion dieser Nacht war ein ganzer Berg leerer Arbeit, und doch schien sie nicht völlig sinnlos. Vier oder fünf Streifenwagen hatten die Fährte von Fahrzeugen aufgenommen, die sich ausgesprochen merkwürdig benahmen.
Einer war darunter, der wie ein Irrer kreuz und quer durch New York raste, offenbar um seine Verfolger abzuschütteln, ein zweiter stand irgendwo im Außenbezirk und gab mit seinen Scheinwerfern Lichtsignale, ein dritter trieb sich in der Nähe eines Waldstückes im Westen der Stadtgrenze herum.
Das Spielchen dauerte bis gegen zwei Uhr nachts. Dauernd wechselten die Fäden, die schwarze Fairlanes mit den Streifenwagen verbanden. Hier wurde die Verfolgung eines offensichtlich harmlosen Fahrzeuges aufgegeben, dort die eines anderen aufgenommen. Ich blieb in der Welle, um mich nötigenfalls einzuschalten, wenn ein wirklich interessanter, der einzig interessante Wagen auftauchte.
Kurz nach zwei Uhr flimmerten zwei Scheinwerfer durch die sonst praktisch unbelebte Pine-Street. Der Wagen rollte langsam heran, hielt auf der anderen Straßenseite, und ein Mann stieg aus, dessen Gestalt mir bekannt vorkam.
Ich sprang aus meinem Fahrzeug, sah schärfer hin und ging auf ihn zu.
Tja, daran gab es keinen Zweifel. Der Mann, der mir da im offenen Staubmantel, unter dem er einen Smoking trug, entgegenschlenderte, war Harry Brian, ›Nummer eins‹.
In seiner bekannten Art zog er die Augenbrauen bei meinem Anblick hoch.
»Guten Abend, G-man«, sagte er. »Schon wieder was los?«
Ich sah an ihm vorbei auf den Wagen, aus dem er gestiegen war.
Es war ein knallrotes Mercury-Kabriolett.
»Wo ist Ihr Fairlane?« fragte ich.
»Steht in der Garage. Der Motor ist nicht ganz in Ordnung.«
»Ach, und so haben Sie sich jetzt einen Mercury gekauft?«
»Gekauft? Nein, nur geliehen. Von einem Autoverleih. Wollen Sie die Adresse? Übrigens, überwachen Sie mich, G-man?«
»Nein, ich stehe nur aus Zufall hier.« Er gähnte. »Das ist gut so. Ich müßte mich sonst erneut beschweren.«
Ich grinste ironisch, »Nett von Ihnen, daß Sie sich nur beschweren, statt die Überwachungsposten niederzuschlagen.«
»Ist jemand niedergeschlagen worden?« erkundigte er sich ziemlich uninteressiert. »Sie werden es mir nicht übelnehmen, daß ich eine gewisse Befriedigung darüber empfinde. — Glauben Sie mir, es ist nicht schön, dauernd jemand auf seinen Fersen zu wissen.«
»Ich glaube es Ihnen, Brian«, antwortete ich. »Und darf ich fragen, woher Sie jetzt kommen?«
Er gähnte wieder. »Ach, ich war in ein paar Lokalen. Wollte mal auf andere Gedanken kommen.«
»Und welche Lokale waren das?«
»Kann ich nicht sagen. Irgendwelche Buden am Broadway und in seiner Nähe. Ich nahm, was mir vor den Kühler kam.« Plötzlich fragte er scharf:
»Ist wieder ein Mord passiert, den Sie mir in die Schuhe
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