0006 - Schach mit dem Dämon
hatten, wie weiter nördlich, wo Soho lag.
Ein Einfahrt zum Hinterhof war für den Dieb direkt eine Einladung. Bonetti tauchte in den dunklen Schlauch. Auf eine Taschenlampe verzichtete er. Ein Mann wie der Aal fand sich auch im Dunkeln zurecht.
Er gelangte in einen Hinterhof.
Schemenhaft hoben sich die Umrisse eines Garagenhaus ab. Alles war still. Weit über den nur zweistöckigen Häuslein spannte sich der Nachthimmel. Vereinzelt blinkten ein paar Sterne.
Plötzlich sah Bonetti die glühenden Augen. Im ersten Moment stutzte er, doch als er ein Fauchen vernahm und die Katze dicht an seinen Beinen vorbeistrich, umspielte ein Grinsen seine Lippen.
Der Aal wandte sich der Hintertür zu.
Aus der Innentasche seiner Lederjacke holte er das Einbrecherbesteck. Die Werkzeuge waren zwar aus Metall, doch drei Viertel der Teile waren mit einer Kunststoffschicht überzogen, so daß ein allzu lautes Klirren vermieden wurde.
Mike Bonetti war ein echter Profi. Beinahe lautlos öffnete er die Tür und huschte in das Haus.
Eine Bleistiftlampe blitzte auf. Nadelfein durchdrang der Strahl die Dunkelheit, beschrieb einen Kreis und blieb an einem Türschloß haften. Der Aal nickte zufrieden. Die Tür, die er entdeckt hatte, führte zu den Verkaufsräumen.
Sie war abgeschlossen, doch für den gewieften Einbrecher bildete sie kein Hindernis.
Mike schlich in den Verkaufsraum. Lauschend stand er da. Es war, nicht völlig ruhig. Irgendwo knackte und knarrte immer etwas. Die Schaufenster besaßen nicht einmal ein Gitter und waren auch nicht abgedeckt worden. Der Händler mußte sich verdammt sicher fühlen.
Sein Pech.
Mike Bonetti suchte den Spiegel. Er bewegte sich zwischen den einzelnen Teilen so sicher, als wäre er in dem Laden zu Hause. Nicht einmal stieß er irgendwo gegen.
Den Spiegel fand er nicht.
Bonetti wurde unruhig. Sollte ihn sein Auftraggeber geleimt haben? Kaum, wer solch eine Summe ausgab, der spielte auch mit, »ehrlichen Karten.« Bonetti hatte ein Foto von dem Spiegel gesehen, und verkauft hatte der Händler das Ding auch nicht, wie er wußte.
Der Aal überlegte.
Draußen auf der Straße fuhr ein Wagen vorbei. Die beiden Lichtlanzen der Scheinwerfer streiften auch die Schaufenster.
Bonetti duckte sich.
Dann war der Wagen verschwunden.
Der Einbrecher dachte nicht im Traum daran, aufzugeben. Noch nie war er ohne Beute verschwunden, und auch hier würde es nicht anders sein.
Er entdeckte die Tür, die zu Octavios Privaträumen führte.
Ein dünnes Grinsen umspielte die Lippen des Mannes, als er sich das Torschloß im Licht der kleinen Lampe ansah.
Kein Problem für ihn. Er hatte die entsprechenden Werkzeuge dabei.
Die Tür schwang völlig lautlos auf. Der Einbrecher konnte nur immer wieder über die Sorglosigkeit des Antiquitätenhändlers den Kopf schütteln. Wie dieser Mann seine wertvollen Verkaufsobjekte sicherte, das war schon fast strafbar.
Allerdings ahnte der gute Mike Bonetti nichts von den magischen Fallen, die auf einen ungebetenen Besucher warteten. Octavio hatte sich wohl gesichert, auf seine ganz, spezielle Weise.
Der Dieb betrat das kleine Arbeitszimmer.
Und er sah den Spiegel.
Das heißt, eigentlich nur halb, denn die obere Hälfte war mit einer Decke verhängt. Die beiden Füße und die Holzplattform, auf der der Spiegel stand, schauten hervor. Auf Zenenspitzen näherte sich der Aal dem wertvollen Gegenstand.
Mit der rechten Hand zog er an der Decke. Sie glitt zu Boden und gab die Spiegelfläche frei.
Der Einbrecher trat unwillkürlich einen halben Schritt zurück. Er hatte ja schon zahlreiche Spiegel gesehen, aber solch ein Stück war ihm noch nie unter die Augen gekommen.
Er leuchtete mit der Taschenlampe auf den Spiegel. Der Strahl wurde aber nicht reflektiert, sondern schien in der Fläche zu verschwinden, so als würde er absorbiert.
Seltsam…
Und über noch etwas wunderte sich Mike Bonetti. Das Spiegelglas hatte ein Muster. Es waren keine Kästchen oder Felder, ähnlich wie bei einem Schachbrett. Manche Felder waren etwas dunkler. Andere wiederum glänzten in einem matten Weiß.
Bonetti hob die Schultern. So etwas war ihm noch nie vor Augen gekommen.
Die einzelnen Felder waren genau abgetrennt. Die winzigen Trennungslinien schienen aus Goldfäden zu bestehen, sie glitzerten im Licht der Lampe.
Für einen Moment dachte Bonetti daran, den Spiegel mitzunehmen und ihn auf eigene Rechnung zu verkaufen, doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Er hatte doch nicht die
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