0010 - Ich gegen alle
in eine spiegelglatte Eisfläche verwandelt zu haben.
Als ich endlich die Hütte wieder betrat, sah ich Vanboughts Blick auf mich gerichtet. Er beobachtete aufmerksam meine Kleidung. Ich ging zum Feuer und wärmte meine Hände. Dabei begann das Eis an meinen Klamotten aufzutauen. Es bildeten sich Lachen zu meinen Füßen.
»Eisblizzard, G-man«, sagte Vanbought.
»Was tut man dagegen?« fragte ich.
»Schaufeln! Der Schnee muß weg. Er darf sich nicht ansetzen. Der Regen allein ergibt nicht viel Eis. Nur in Verbindung mit dem Schnee wächst es zum gefährlichen Berg.«
»Ich habe nicht einmal eine Schaufel«, antwortete ich.
Er zögerte einen Augenblick lang, dann sagte er: »Hinter dem Holzstapel ist ein kleiner Anbau. Darin sind Schaufeln. Haben Sie sie noch nicht gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Holen Sie sie«, drängte er. »Es ist keine Zeit zu verlieren.«
Ich fand den Anbau, von dem Vanbought gesprochen hatte. Er war meiner Aufmerksamkeit entgangen, weil drei halbe, noch ungeschälte Stämme dagegenlehnten.
Sie waren schon so festgefroren, daß ich sie nur unter Aufbietung aller Kräfte bewegen konnte. Der Verschlag war so niedrig wie eine Hundehütte. Die leichte Lattentür, die ihn verschloß, ließ sich wegen des Eises nicht mehr bewegen. Ich trat sie ein und tastete in dem engen Raum herum.
Ich fühlte die Stiele zweier kurzer Schaufeln und zog sie ins Freie. Dann fühlte ich noch etwas, etwas Weiches und Formloses. Ich zog meine Hand zurück und knipste die Taschenlampe an.
Im Schein ihres zitternden Lichtes sah ich, was ich gefühlt hatte. Es war der charakteristische Scouthut, wie ihn die Angehörigen der Royal Mounted Police trugen. Ich nahm ihn in die Hand und drehte ihn um. Im Schweißleder waren zwei Blechbuchstaben eingelassen, ein P und ein L. Abkürzungen des Namens Peter Lambert.
***
Ich überlegte eine halbe Minute lang, dann legte ich ihn an den Platz zurück, an dem ich ihn gefunden hatte. Es war jetzt nicht der richtige Augenblick, Randolph Vanbought diesen Hut unter die Nase zu halten und ihn zu fragen, ob er sein Märchen von der Abreise des Sheriffs aufrechterhalten wolle.
Aber diese Stunde würde kommen.
Ich nahm die Schaufeln und stampfte zur Hütte zurück. Durch das wütende Heulen des Sturmes hörte ich Schreie und Rufen und das Klirren von Spaten und Schaufeln. Ich sah schemenhaft Gestalten der Schürfer, die wie rasend in der Umgebung der Häuser arbeiteten. Vanbought schien nicht gelogen zu haben. Ich kämpfte mich zur Talseite meiner Hütte durch.
Hier lag der festgefrorene Schnee schon in Höhe der Fenster. Ich setzte die Schaufel an, aber es gab keine Möglichkeit, mit ihr in diesen kompakten Eisblock einzudringen. Ich begnügte mich damit, fortzuschaufeln, was neu fiel, ich arbeitete wie ein Berserker.
Alles, was ich nicht sofort zur Seite schaufelte, fror fest, und es fiel ein Mehrfaches von dem an Schnee und Eis, was ich schaffen konnte. Meine Kleidung wurde immer schwerer. Auch auf mir wuchsen Schnee und Regen zu einem Eispanzer an, der krachend barst, wenn ich mich bewegte.
Ich arbeitete eine Viertelstunde. In dieser Zeit wuchs der Eiswall an der Stelle, an der ich mich befand, weit über die Fensteröffnung hinaus und erreichte den Rand des Daches. Ich fluchte laut in den heulenden Sturm hinein, packte meine Schaufeln und kämpfte mich zur Tür zurück.
Auch an dieser Stelle lag die Eisdecke mehr als zwei Fuß hoch, aber da die Tür nach innen auf ging, kam ich noch hinein.
Vanbought sah mir erwartungsvoll entgegen.
»Nun?« fragte er.
Ich ging wortlos hin und löste ihm die Fesseln.
»Kommen Sie mit raus«, sagte ich, »aber ich knalle Sie erbarmungslos ab, wenn Sie zu türmen versuchen.«
Er lächelte dünn. »Hoffentlich können Sie den Finger vor Frost noch krümmen«, antwortete er, stand von der Pritsche auf und nahm eine der Schaufeln. »Teilen wir uns, was Sie an Klamotten haben«, sagte er sachlich. »Zu meinem Haus lassen Sie mich doch nicht gehen.«
Ich vergaß, daß Randolph Vanbought mit Sicherheit ein großer Gangster und mit höchster Wahrscheinlichkeit ein Mörder war, und er vergaß vermutlich, daß es sich bei mir um einen Polizisten handelte, der ihn an den Galgen bringen wollte. Wir waren in diesen Stunden nur zwei Menschen, die sich gemeinsam gegen ihren Urfeind, die Natur, stemmten.
»Wie lange dauert der Blizzard noch?«
»Wenigstens noch acht Stunden. Es gibt keine Blizzards, die weniger als zehn Stunden toben,
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