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0010 - Ich gegen alle

0010 - Ich gegen alle

Titel: 0010 - Ich gegen alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Greenhorn sei, aus dem Schnee zu ziehen, und außerdem wäre ohnedies alles Unsinn, wir fänden von diesem Idioten keinen Fetzen vor dem nächsten Frühjahr, wenn der Schnee geschmolzen wäre, unter dem er jetzt yardtief liege.
    Aber während dieses Geschreis kroch er aus seinem Schlafsack und begann seine Sachen zusammenzupacken. Die Eskimos und der Indianer folgten schweigend seinem Beispiel.
    Eine Viertelstunde später standen wir sechs Männer vor dem Wall. Hughs, der als einziger von uns kein Gepäck trug, schlug Stufen hinein, auf denen wir ihn übersteigen konnten. Der Blizzard hatte auf der Windseite so steil Schnee angeweht, daß sich die Ebene vom höchsten Punkt des Walls aus nur sanft zu senken schien, aber dann kam der erste, jetzt völlig vereiste Klippenabsatz, und wir begannen einen mühseligen und äußerst gefährlichen Abstieg.
    Als wir auch die zweite Klippe überwunden hatten, war der Mond versunken und der Tag dämmerte herauf.
    Wir liefen zwei Stunden, drei, vier. Allmählich wurde unser Schritt immer schleppender. Unser wirklich nicht schweres Gepäck drückte wie Ballast auf den schmerzenden Rücken. Der Gang wurde zum kläglichen Vorwärtsstolpern.
    In der fünften Stunde meuterte Frewas. Er fiel der Länge nach hin. Ein Strom von Flüchen ergoß sich aus seinem Mund. Er heulte, daß er keinen Schritt mehr weiterginge und daß von ihm aus sämtlichen Polizisten der Welt verrecken sollten.
    Glenford Hughs ging zu ihm hin, versetzte ihm einen sanften Fußtritt und sagte: »Los, alter Junge, lauf weiter!«
    Frewas sprang wie eine gesengte Katze auf und ging dem Alten an den Kragen.
    Ich sammelte meine Kräfte, stürzte mich dazwischen und versetzte dem Tobenden ein paar Hiebe, daß er in der Schnee stürzte.
    Die beiden Eskimos und der Indianer hatten der Szene stumm zugesehen. Als Hughs jetzt wortlos den Marsch wieder aufnahm, gingen sie mit. Ich drehte mich nach Frewas um. Er rappelte sich in die Höhe und stolperte uns nach, als wenn nichts geschehen wäre.
    In der zehnten Stunde unseres Marsches, als ganz sachte die Dämmerung einzusetzen begann, fanden wir Phil.
    Es geschah völlig undramatisch. Wir erblickten auf der völlig weißen und leeren Fläche des Tals einen schwarzen Fleck, und als wir nahe genug heran waren, sahen wir, daß es Phil war, der in seinem Schlafsack steckte und schlief oder ohnmächtig war.
    Er reagierte nicht auf Anrufe oder Schütteln. Hughs ließ ihn aus dem Schlafsack schälen, zog ihm die Handschuhe und die Strümpfe aus und begutachtete kritisch seine Gliedmaßen. Fast eine Stunde lang massierten wir Phils Beine und Hände mit Schnee.
    Er kam während dieser Zeit einmal zu sich, lächelte schwach bei unserem Anblick und war sofort wieder weg.
    Hughs patschte ihm Schnee ins Gesicht und rieb ihm die Nase und die Wangen.
    »Damit er seine hübsche Visage behält«, sagte er grinsend zu mir.
    »Hat er schlimme Erfrierungen?«
    »Es geht. Ich habe schon schlimmere gesehen. Länger als eine halbe Stunde können wir uns nicht mehr mit ihm aufhalten. Sehen Sie sich die Männer an.«
    Saomotse und Kentsu lagen im Schnee und schliefen. Sie waren so erschöpft, daß sie nichts von der Kälte spürten, die durch ihre Kleider drang. Blackhorse hatte mühsam mit dem Eispickel etwas Holz von einem Baum unter dem Schnee hervorgegraben und mühte sich um ein Feuer. Frewas hockte auf der Erde und stierte stumm auf eine Stelle.
    Wie der Indianer es fertigbrachte, weiß ich nicht, jedenfalls flackerte schließlich eine Flamme hoch. Eine halbe Stunde später konnten wir einen Becher heißen Tee durch die Kehle jagen. Wir waren so verrückt auf die Wärme, daß wir das Getränk fast kochend hinuntergossen und uns samt und sonders die Zunge und den Mund verbrannten.
    Ich zwang Phil die Zähne auseinander, und er schluckte auch. Ich trichterte ihm noch einen Viertelliter Whisky hinterher, was Hughs nur mit Bedauern sah. Dann wurde an die vier Ecken des Schlafsacks je ein Riemen mit einer Schlaufe gebunden. Die Schlaufen streiften sich vier von uns über die Schultern. Auf diese Weise Phil tragend, machten wir uns auf den Heimweg. Alle Viertelstunde wurde einer der Träger ausgewechselt.
    Wenn der Hinweg eine Strapaze gewesen war, so wurde der Rückweg zu einem Marsch durch die Hölle, durch eine Hölle von Schnee und Eis und grimmiger Kälte und dem letzten Grad menschlicher Erschöpfung. Wir hatten bei der Mondhelle keine Schwierigkeiten, den Weg zu finden, aber wir waren kaum noch

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