0012 - Lebendig begraben
guttun.«
Ich hörte die Stimmen und hatte das Gefühl, Eiswasser würde durch meine Adern strömen. Kalt rann eine Gänsehaut über meinen Rücken. Diese Stimmen, die von überall heranwehten, flößten mir Angst ein. Und dann sah ich die Gestalt. Vor mir und nur in Umrissen.
Langsam näherte sie sich. Soviel ich jetzt schon erkennen konnte, war es eine Kreatur, die auf zwei Beinen ging. Ein Mensch?
Ja, es war ein Mensch. Ein Mann. Schlurfend kam er näher. Er lachte leise und blieb einen Schritt vor mir stehen. Es traf mich wie ein Schlag.
Es war ein Mann, den ich kannte. Inspektor Fenton, ein Kollege!
Aber wie hatte er sich verändert! Als ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war er voller Energie gewesen. Er wollte die ganze Welt aus den Angeln heben. Doch jetzt war er ein alter Mann. Ich kannte Fenton von einem früheren Fall. Dann hatte er einen mysteriösen Fall bearbeitet, von dem er nicht wiederkehrte. Er war einfach verschwunden, galt als vermißt. Hier sah ich ihn also wieder!
Er stand gebeugt, hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen und blickte mich aus müden Augen an. Die Haut bestand nur noch aus Falten, schien an seinen Knochen zu rängen und gar nicht mehr zum Körper zu gehören. Das Haar umrahmte strähnig den Schädel. Spitz stach die Nase aus dem Gesicht hervor.
»Oberinspektor Sinclair!« flüsterte mein Kollege. Er war ein Greis, völlig ausgelaugt. Leer, verbraucht… Er mußte durch eine Hölle gegangen sein, anders konnte ich mir seinen Zustand nicht erklären. So etwas wie ein Lachen schimmerte auf seinem Gesicht.
»John Sinclair, der Geisterjäger«, flüsterte er. »Jetzt haben sie dich also auch. Ich hatte es mir gedacht. Sie holen jeden, der ihnen nicht paßt.«
»Wer ist sie?« wollte ich wissen.
»Die Wächter. Es sind grauenhafte Gestalten, die hier die Herrschaft ausüben. Sie alle sind die Diener des Schwarzen Tods, dem das Reich gehört. Er ist hier der unumschränkte Herrscher, ja, er ist der König im Land der toten Götter.«
»Wie kommt man auf diesen Namen?«
»Weil hier die Götter begraben sind. Tief unter dem Fels sind sie eingemauert. All die guten und strahlenden Helden der Sagenwelt. Sie haben tatsächlich gelebt, doch als es dem Schwarzen Tod zuviel wurde, hat er sie vernichtet. Töten konnte er sie nicht, aber er hat ihnen die Gräber für die Ewigkeit verschafft.«
»Und wie kommt man hier raus?«
»Wie kommst du hierher, Fenton?« fragte ich.
»Der letzte Fall, den ich bearbeitete. Dahinter steckte ein Dämon. Er entführte mich und brachte mich in diese Dimension des Schreckens.«
Fenton begann zu kichern. »Nie mehr, John. Nie mehr kommst du hier weg. Du bist ein Gefangener wie wir.«
»Aber der Schwarze Tod schafft es auch, auf die Erde zu gelangen.«
»Er ist ein Dämon.«
Ich ließ das Thema erst einmal und wies an Fenton vorbei. »Wohin führt dieser Gang?«
»Zuerst in unsere Höhlen und dann ins Freie.«
Ich horchte auf, doch Fenton zerstörte meine Illusionen schon im nächsten Augenblick.
»Das Freie ist eine Arena. Eine haushohe und glatte Mauer sperrt sie von den Terrassen ab. Es ist unmöglich, dort hinaufzugelangen. Und oben lauern die Drachen. Sie töten jeden, der die Terrassen erklommen hat. Zwei Männer habe ich schon sterben sehen. Es war grausam.«
»Diese Wächter, von denen du gesprochen hast, sind es Dämonen oder auch Menschen?«
»Es sind Dämonen!«
»Wie sehen sie aus?«
»Wie der Schwarze Tod. Nur kleiner. Während der Schwarze Tod seine Gestalt verändern kann, bleibt sie bei ihnen gleich. Auch sind ihre magischen Kräfte nicht so groß, aber stärker als die der Fischgesichtigen.«
»Dann habe ich damit also auch noch zu rechnen.«
Fenton nickte. »Ja. Sie sind für die niederen Arbeiten zuständig. Sie bewachen die Gefangenen und schleppen sie hinterher in die Arena.«
»Und was geschieht dort mit ihnen?«
»Sie müssen kämpfen. Gewinnen sie, bleiben sie am Leben, das ist alles.«
»Wer sind ihre Gegner?« rief ich.
Fenton hob die rechte Hand. »Ich gebe dir keine konkrete Antwort. Du mußt es schon selbst herausfinden, vielleicht wirst du es auch bald sehen. Soviel ich weiß, muß sich heute abend wieder jemand zum Kampf stellen.«
»Und wer wird das sein?«
»Ich«, erwiderte Fenton mit rauher Stimme.
***
Monja Dunhill wollte zur Tür laufen, doch Suko hielt sie fest.
»Lassen Sie mich!« schrie das Mädchen. »Ich muß raus hier. Das Geigenspiel, es macht mich verrückt.«
Suko drückte
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