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0013 - Die Knochengrube

0013 - Die Knochengrube

Titel: 0013 - Die Knochengrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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schaukelte nicht auf den Wellen, er ruhte unbeweglich zwischen den Fluten, war ein von dem nassen Element losgelöstes Objekt.
    Den Mittelpunkt der Erdmulde bildete ein großer Tisch. Eigentlich war es mehr eine Art Tafel, an dessen Kopfende Raspani saß. Aber irgendwie mochte man wegen des widerwärtigen Anblicks diesen Begriff nicht in den Mund nehmen. Der unheimliche Schwarzgekleidete thronte vor den Resten einer Gruselmahlzeit. Zerbrochene leere Muscheln lagen über die Tischplatte zerstreut.
    Micaela Saldana weinte, ihre Schwester drehte den Kopf zur Seite.
    Die gesamte Holzfläche war mit einer glitschigen, wabernden Schicht bedeckt, auf deren Oberfläche die Gliedmaßen von großen Krebsen, Garnelen und Hummern zuckten. Raspani hatte ihre Weichteile lebend verschlungen, und genauso nahm er sich in diesem Augenblick einen schlüpfrigen Kraken vor, den er aus einem neben ihm stehenden Eimer fischte. Weder Teller noch Besteck oder Tabletts oder Gläser waren zu sehen.
    An den Flanken des Tisches lagen umgekippte Stühle. Ein Zeichen, daß der Herr seine Untertanen an diesem Mahl hatte teilnehmen lassen.
    Raspani zerrupfte den Kraken. Er schob sich genüßlich einen der Fangarme zwischen die Zähne. Sein Totengebiß knackte abscheulich.
    »Himmel, ich weiß nicht, wie lange ich das aushalte«, stammelte Rosa Saldana.
    Raspani lachte, denn er hatte es verstanden. »Gut so, ihr sollt vor Furcht halb verrecken, bevor ich euch endgültig den Garaus machen lasse. Ihr seid die letzten aus der langen Reihe der Verfluchten, und ich habe beschlossen, zu diesem Anlaß ein Freudenfest zu feiern. Was meint ihr, wie viele Stunden habt ihr noch zu leben?«
    Die Schwestern antworteten nicht.
    Zamorra erwiderte ebenfalls nichts. Er fühlte sich abgestoßen von Raspani, gleichzeitig aber doch auf eine kaum erklärbare Art fasziniert.
    »Bis zur Dunkelheit werden wir warten«, zischte Raspani, »vielleicht bis Mitternacht. Ich will, daß meine dreizehn verbliebenen Gesellen bei Mondlicht euren Tod besiegeln. Sie werden einen Säbeltanz veranstalten, in dessen Verlauf euch die Häupter abgeschlagen werden.«
    »Raspani, du bist ein Narr«, sagte Zamorra unbeirrt.
    »Schweig, du Wurm!«
    »Du hast gesehen, welche Kraft in dem silbernen Amulett steckt. Glaubst du, mit dem Verschwinden des Talismans sei ich am Ende? Es gibt noch andere Mittel, dich zu vernichten. Meine Mitarbeiter wissen, wohin ich mich gewandt habe. Sie werden die Spur aufnehmen und diese Insel entdecken, möglicherweise mit einer Streitmacht anrücken.«
    Raspani lachte schrill. »Niemand hat innerhalb der letzten fünfundsiebzig Jahre die Insel Marmossa ungestraft betreten. Ich habe alles Leben vernichten lassen, Zamorra, denn wir brauchen keine Nahrung. Also brachten meine Gesellen jedes wilde Schwein, jedes Kaninchen, jede Kröte um, die sich hier bewegte. Wir dulden keine Menschen um uns, also töteten wir die wenigen, die sich auf Marmossa umtaten, um zu fischen oder zu baden. Alle landeten in der Knochengrube. Außer uns gibt es hier höchstens noch Fliegen.«
    Wieder grub er seine Zähne in das Fleisch des Kraken.
    Zamorra ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er wollte bluffen, Raspani zumindest in Wut versetzen. »Du vergißt, daß es Menschen gibt, die über Mittel gegen die Schwarze Magie und ihre Geschöpfe verfügen. Es gibt nicht nur Amulette. Du kannst dich nicht ewig vor Leuten schützen, die vielleicht noch heute mit der richtigen Beschwörungsformel vor dich treten und deiner unheilvollen Existenz ein Ende setzen.«
    »Schnickschnack!« brüllte der Schwarzgekleidete. Er schleuderte die Reste des Kraken in den Eimer zurück, daß es spritzte. »Mein magischer Spiegel im Musiksalon der ›Estrella Negra‹ verrät mir alle Geheimnisse! Ich habe ihn über Nacht befragt – es gibt niemanden, der deiner Motorjacht gefolgt ist, Zamorra. Du lügst!«
    »Auch du kennst die Angst!«
    »Verdammt sollst du sein!«
    »Deine Worte sind der beste Beweis für die Richtigkeit meiner Behauptung.«
    »Bringt ihn zum Schweigen«, heulte der Herr der Geistermatrosen.
    »Ich kann sein Gekläff nicht mehr ertragen!«
    Die dreizehn Schrecklichen rückten näher. Sie schlossen einen dichten Ring um Zamorra und die beiden Frauen. Micaela Saldana verlor von neuem das Bewußtsein. Rosa hielt sich nur noch wie durch ein Wunder auf den Beinen. Wimmernd ließ sie die Jüngere los und lehnte sich gegen Zamorra.
    Die Geister hoben die Säbel.
    Blitzend hoben sich die

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