0020 - Die Rache der Medusa
würden uns dort drüben in meinen Wagen setzen und Sie durch ein Fernglas beobachten. Wenn das Mädchen kommt, geben Sie uns ein Zeichen. Dann werden wir gemeinsam versuchen, sie zu überwältigen. Wie gefällt Ihnen dieser Vorschlag?«
Mustafa seufzte.
»Meinetwegen. Ich könnte es ja doch nicht verhindern, daß Sie mich aus der Ferne beobachten.«
»Da haben Sie recht!« sagte Zamorra.
Sie vereinbarten ein Zeichen, das nicht durch Zufall verkannt werden konnte. Mustafa Bursa sollte den linken Fuß heben und sich am äußeren Knöchel kratzen, sobald er das Mädchen erblickte, von dem er nicht wußte, wie sie aussah, trotzdem aber sicher war, sie sofort wiederzuerkennen, wenn sie ihm begegnete.
Dann kehrten Mehmet Akbar und Professor Zamorra zum geparkten Ford zurück.
»Wer wird ihn beobachten?« fragte Akbar, nachdem er das Fernglas aus dem Handschuhfach geholt hatte. »Wollen Sie es tun, Professor?«
»Wir werden einander abwechseln, einverstanden?«
»Einverstanden«, nickte Akbar, führte das Glas an die Augen und stellte die Schärfe ein.
***
Sie waren den Bosporus ein Stück entlanggefahren, hatten beide sehr aufmerksam die Augen offengehalten, jedoch nichts bemerkt.
Als sie die Stadtgrenze erreicht hatten, hatte Nicole Duval vorgeschlagen, zurückzufahren. Mireille Dorleac war damit einverstanden. Ihre Augen streiften über die vorbeiziehenden Gehsteige, suchten Parks ab, soweit dies möglich war, und musterten die Plätze, die sie überquerten.
Nicole entdeckte ein Straßenschild. »Nisbetiye Caddesi« stand darauf. Sie fuhr diese Straße in Richtung Stadtzentrum entlang und erreichte die Gabelung Büyükdere Caddesi/Barbaros Bulvari.
»Welche Straße nehmen wir?« fragte sie die Freundin.
Mireille zuckte die Achseln.
»Das ist mir gleich.«
Nicole traf die Entscheidung also für sie beide. Sie entschied sich für den breiten Boulevard.
Nahe dem Eingang eines großen Parks hielt Zamorras Sekretärin den dunkelblauen Käfer an.
»Was ist?« fragte Mireille erstaunt.
»Ich denke, wir sollten uns wieder mal melden«, erwiderte Nicole und wies auf das Sprechfunkgerät. Sie griff danach und rief Zamorra. Aber der Professor meldete sich nicht. »Na, so was!« sagte sie erstaunt. Sie konnte nicht wissen, daß Mehmet Akbar und Professor Zamorra den Ford kurzfristig verlassen hatten, um mit Mustafa Bursa eine Vereinbarung zu treffen.
»Hallo!« rief Nicole beunruhigt ins Mikrofon. »Hallo, Chef!«
Nichts.
»Hallo, Mehmet!«
Abermals keine Antwort.
»Verstehst du das?« fragte Mireille.
»Sie müssen ihren Wagen verlassen haben.«
»Angenommen, wir würden ihre Hilfe gerade in einem solchen Augenblick brauchen?«
»Angst, Mireille?«
»Ein wenig schon.«
»Sei unbesorgt.«
»Ich werde diesen versteinerten Russen mein ganzes Leben nicht vergessen. Wie er auf mich zukam. Es war entsetzlich, Nicole.«
»Ja. Es war grauenvoll, Mireille.«
»Hast du keine Angst?«
»Ich verspüre nicht Angst, aber ich bin ungemein aufgeregt und nervös«, gab Nicole Duval unumwunden zu. Warum sollte sie es beschönigen? Mireille war ihre Freundin. Sie hatte keine Geheimnisse vor ihr.
»Was machen wir nun?« fragte Mireille Dorleac. »Bleiben wir eine Weile hier? Fahren wir weiter?«
»Das können wir halten, wie wir wollen.«
»Dann bleiben wir ein wenig«, schlug Mireille vor.
»Okay«, sagte Nicole Duval und stellte den Motor ab.
Der Park, vor dem sie standen, zeigte eine dicht wuchernde Vegetation, die von den Gärtnern kaum unter Kontrolle gehalten werden konnte. Die breiten Buschgruppen wucherten bis an den Weg heran, während die Baumkronen darüber bereits ineinandergewachsen waren und einen rauschenden Baldachin bildeten.
Mireille hatte das Seitenfenster nach unten gekurbelt.
»Ist was?« fragte Nicole.
»Pst!« machte Mireille.
»Was ist denn?« fragte Nicole Duval nervös.
Mireille zuckte die Achseln.
»Ich kann es nicht erklären, Nicole.«
»Hörst du etwas?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hör mal, du mußt doch wissen…«
»Ich weiß es eben nicht, Nicole. Ich habe nur das Gefühl, daß an diesem Park irgend etwas nicht stimmt.«
»Hast du etwas gesehen?«
»Nein. Oder ja. Vielleicht.«
»Also, was nun?«
»Es ist mir unmöglich, es zu erklären, Nicole«, sagte Mireille und faßte nach dem Türöffner. »Besser, ich sehe mal nach!«
»Kommt nicht in Frage, Mireille!« zischte Nicole Duval aufgeregt.
»Du mußt hierbleiben. Weißt du nicht mehr, was wir versprochen haben?
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