0022 - Der Tod saß uns im Nacken
an, dass er ihm viel Geld gegeben hat.« Sie senkte die Stimme. »Wir besaßen ja selbst nicht viel.«
Ich stand auf. »Vielen Dank, Miss Sullighan. Ich denke, wir werden uns noch einige Male sehen.«
»Warten Sie!«, rief Less Harding. »Ich komme mit.«
Er verabschiedete sich von dem Mädchen, während wir schon zu den Pferden gingen. Ich hörte, wie er sagte: »Denken Sie daran, was ich Ihnen versprochen habe. Sie finden immer einen Platz auf der Harding Ranch.«
Als wir dann von der Bellstone Ranch fortritten, drehte er sich ein paar Mal um, aber Ann Sullighan war bereits ins Haus zurückgegangen.
»Sie haben auch eine Ranch?«, erkundigte ich mich.
»Ja, sie liegt dort drüben. Eine Stunde Ritt von hier. Grenzt an den Bellstone-Besitz.« Er lachte und zeigte eine Reihe weißer Zähne. »Aber ich bohre nicht nach Öl, und darum ist meine Ranch in Ordnung, nicht schlechter als die von Yookerman.«
»Wenn Sie ein so ordentlicher Mensch sind, muss Ihnen Stenberry doch ein Dorn im Auge gewesen sein.«
»Der arme John!«, sagte er traurig. »Viel war mit ihm nicht los, aber wir waren Freunde, als wir Kinder waren, und er tat mir Leid. Früher war er ein ganz ordentlicher Bursche, aber als seine Familie herunterkam, rutschte er mit. Ich habe immer gehofft, er würde sich noch fangen, aber jetzt scheint er endgültig am Ende zu sein.«
»Das hört sich nicht so an, als wenn Sie an seine Unschuld glauben.«
Er schob den Hut in den Nacken.
»Es spricht zu viel gegen ihn, um einen solchen Glauben nicht zu erschüttern«, antwortete er. »Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass John auf seinen Onkel geschossen haben soll. Es passt nicht zu ihm. Er war zu…«, er suchte nach dem richtigen Wort, »… zu waschlappig dazu.«
»Wer war eigentlich der Bursche, mit dem Sie sich geprügelt haben?«
»Glen Meunier, auch einer von unserem Jahrgang. Wir sind alle in die gleiche Schule gegangen, John, Glen und ich.«
»Trotzdem schlagen Sie sich mit ihm?«
»'ne Eifersuchtssache. Glen mag Ann Sullighan gut leiden, und ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich sie auch sehr hübsch finde. Nun wird Ann wahrscheinlich das Haus von Graves verlassen müssen, da sich ja kein Testament zu ihren Gunsten gefunden hat, und nach Johns Tod werden irgendwelche entfernten Verwandten als Eigentümer auftauchen, falls nicht die Gläubiger vom alten Graves wie die Wölfe über den mageren Brocken herfallen. Abgesehen davon halte ich es nicht für gut, wenn ein junges Mädchen mutterseelenallein in der Einsamkeit haust. Ich reite also hinüber, um ihr einen Platz auf der Harding Ranch anzubieten. Ich dachte, sie könnte so etwas wie eine Wirtschafterin abgeben, und natürlich habe ich auch daran gedacht, allmählich würden wir näher zusammenfinden, wenn wir uns täglich sähen. Als ich ankam, war Glen Meunier schon da, und er war wohl mit dem gleichen Gedanken, gekommen. Glens Ranch ist kleiner als meine. Er hat sie nicht geerbt wie ich, sondern hat vor ein paar Jahren ein Stück Land kaufen können. Anscheinend war Glen gleich mit der Tür ins Haus gefallen und hatte Ann schlicht und einfach gefragt, wann er das Aufgebot bestellen könnte. Natürlich gab sie ihm eine ausweichende Antwort. Sie ist nicht eine von der Sorte, die sich schnell entscheidet, und außerdem glaube ich, hat sie eine Zeit lang John Stenberry mal ganz gern gesehen. Glen hatte offenbar seinen Korb schon weg, als ich aufkreuzte, und das machte ihn so wütend, dass er gleich über mich herfiel. Er sagte ein paar Sachen, die ich unmöglich auf mir sitzen lassen konnte.« Er lachte wieder. »Das Ende der Unterhaltung haben Sie ja gesehen.«
»Was sagte Meunier?«
Harding wurde verlegen. »Na, zum größten Teil waren es alte, Dinge, die sich in der Schulzeit zugetragen haben sollen. Im Großen und Ganzen behauptete er, ich sei schon zu allen Zeiten meines Lebens ein großer Schuft gewesen.«
Er hielt sein Pferd an.
»Ich muss mich jetzt leider von Ihnen trennen. Wenn Sie weiter in dieser Richtung reiten, können Sie die Crowbeech Ranch nicht verfehlen. Schönen Gruß an Mrs. und Mr. Yookerman. Habe mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, und ich würde mich noch mehr freuen, wenn Sie etwas für John erreichen würden.«
»Dann käme er Ihnen doch wieder bei Miss Sullighan in die Quere.«
Er lachte herzhaft. »Ach, darum ist mir nicht bange, John steche ich allemal aus, wenn ich es will.«
Er wendete sein Pferd und ritt nach Nordosten davon. Wir machten uns auf
Weitere Kostenlose Bücher