0023 - Wir faßten in ein Wespennest
Nervenzusammenbruch. Ich glaube, es ist auch besser, wenn Sie meine Frau vorläufig nicht aufsuchen.«
»Natürlich nicht, Mister Lodgers.«
»Ich weiß wirklich nicht, ob Ben direkte Feinde hatte. Ich kann es mir eigentlich kaum vorstellen. Seine Lehrer und seine Vorgesetzten beim Zeitungsvertrieb haben mir immer wieder bestätigt, dass er ein freundlicher und zuverlässiger Junge sei. Unter seinen Mitschülern schien er ebenfalls ziemlich beliebt zu Sein. Jedenfalls hatte ich diesen Eindruck gewonnen, als ich mit Ben zu seinem letzten Klassentreffen ging, wo die Eltern eingeladen waren.«
»Hmm. Erwähnte er vielleicht zufällig einmal, dass ihn jemand aus seiner Stellung als Zeitungsboy hinausdrängen wollte?«
»Nein, ich habe das nie von ihm gehört. Aber selbst wenn es so gewesen wäre, hätten wir es nicht weiter tragisch genommen. Ben geht nur deshalb als Zeitungsboy, weil er in seinem Alter kein Taschengeld mehr von mir annehmen wollte. Sie kennen ja unseren amerikanischen Brauch, die Kinder möglichst früh selbständig verdienen zu lassen. Sie lernen dadurch frühzeitig den Wert des Geldes schätzen und werden sehr selbstständig. Wenn ihn wirklich jemand hätte verdrängen wollen, weil er Bens Verdienst vielleicht nötiger brauchte, wäre Ben sicher freiwillig gegangen. Er hätte überall etwas gefunden, um sich das zu verdienen, was er für sich brauchte zur Finanzierung seiner kleinen Vergnügungen. Denn Essen, Kleidung und so weiter bestritten selbstverständlich wir.«
»Ja, ja. Wie viel verdiente Ben denn so durchschnittlich?«
»Das kann ich Ihnen genau sagen. Er führte Buch über seine Einnahmen und Ausgaben. Einen Augenblick, ich hole das Heft.«
Mister Lodgers machte sich an einem Klappschreibtisch zu schaffen und kam dann mit einem Schulheft zurück. Er blätterte darin und sagte schließlich: »Im letzten Monat verdiente er vierundsiebzig Dollar und achtundsechzig Cent.«
»Können Sie uns das Heft mal für ein paar Tage zur Verfügung stellen? Sie erhalten es natürlich zurück, sobald wir es nicht mehr benötigen.«
»Ja, wenn Sie es brauchen, bitte. Aber - wie gesagt - ich habe nicht viel Schriftliches von Ben, und für mich hat es natürlich den Erinnerungswert.«
»Sie erhalten das Heft bestimmt zurück, ich verspreche es Ihnen. Haben Sie zufällig noch eine von Bens Abrechnungstüten hier?«
»Ja, er bewahrte sie als Belege für seine Buchführung auf.«
Wieder suchte er etwas in dem Klappschreibtisch, dann brachte er ein Bündel graubrauner Tüten. Wir betrachteten sie genau. Jede einzelne war mit einer Maschine ausgefüllt worden. Nicht eine einzige Tüte trug die Züge irgendeiner Handschrift. Und noch etwas fiel mir auf. Ben hatte nie weniger als sechzig Dollar im Monat verdient. Ich zog die Abrechnungstüte vom letzten Monat heraus und sagte: »Diese Tüte möchte ich auch einmal mitnehmen, wenn ich darf. Sie bekommen sie ebenso wie das Heft zurück.«
»Ja, bitte.«
»Mister Lodgers, ich habe noch eine Frage, deren Beantwortung für uns sehr wichtig ist. Erwähnte Ben einmal irgendetwas im Zusammenhang mit dem Wort ›Gangster‹? Es kann ein ganz harmloser Zusammenhang gewesen sein. Bitte, denken Sie genau nach.«
Mister Lodgers schüttelte den Kopf.
»Ich kann mich nicht erinnern. Er sagte einmal beim Abendbrot, jemand wollte ihnen Schwierigkeiten machen beim Zeitungsverkauf, aber sie würden schon damit fertig werden. Allerdings fiel in diesem Zusammenhang das Wort ›Gangster‹ nicht.«
Ich nickte enttäuscht. Dieser Ben hätte redseliger sein sollen, dann wäre für uns alles leichter gewesen.
»Können Sie uns die Namen und die Adressen von einigen Freunden sagen, die er doch sicher hatte? Vielleicht war auch ein Mädchen darunter?«
»Nein, eine Freundin hatte Ben nicht, soweit ich davon unterrichtet bin. Und enger befreundet war er eigentlich nur mit dem Sohn des Besitzers der ›Wicking-Großgarage und -tankstelle‹. Sie liegt, glaube ich, irgendwo in der 44. Straße.«
Ich notierte mir den Namen und die Anschrift.
»Führte Ihr Sohn vielleicht ein Tagebuch? Bitte, verstehen Sie uns recht. Wir wollen nicht in die intimsten Regungen seiner Seele neugierig hineinblicken, sondern wir suchen einen Mörder. Es könnte sein, dass ein-Tagebuch mehr verraten kann als jeder andere der ihn persönlich kannte. Man vertraut ja oft einem Tagebuch mehr an als den Menschen seiner Umgebung.«
Mister Lodgers zuckte die Achseln.
»Mit ist von einem Tagebuch nichts
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