0023 - Wir faßten in ein Wespennest
selbst gehört. Wir haben kein Recht vor dem Toten, so zu tun als hätte es ein Unglück gegeben. Er hat sein Leben bewusst aufs Spiel gesetzt für seine Kameraden, das sollen alle wissen.«
Sie nickte weinend. In der Sekunde hätte ich den Mörder nicht zwischen die Finger kriegen dürfen.
***
Wir vereinbarten noch, dass wir uns am nächsten Morgen, früh gegen neun Uhr an einer bestimmten Straßenecke, treffen wollten. Das Mädchen versprach, ausfindig zu machen, wann sich die Boys wieder einmal trafen, und wollte es uns dann morgen früh mitteilen. Ich hielt es für besser, als wenn wir direkt mit den Zeitungsboys Verbindung aufnehmen würden. Dass die Gangster ihre Drohung ernst meinten, bewies ja Bens Tod.
In einem Taxi brachten wir das Mädchen nach Hause. Ich sprach kurz mit ihrem Vater und erklärte ihm, warum wir ihr den Grog zu trinken gegeben hatten. Er war sehr freundlich und bedankte sich überschwänglich bei uns. Das heiße Getränk hatte das Mädchen sehr erhitzt, und der Vater versprach, dass er es sofort zu Bett bringen und ordentlich schwitzen lassen werde. Es war wohl die beste Vorsorge gegen eine Grippe.
Danach fuhren wir zu Hywood. Dort erlebte ich eine Enttäuschung. Der Mann, der vor dem Friedhofstor mit mir zusammengerannt war und die Verfolgung jenes unbekannten Mannes im dunkelblauen Hut aufgenommen hatte, war noch nicht zurückgekehrt.
»Was wollen wir jetzt tun?«, fragte Hywood, nachdem wir ihm die Begegnung mit dem Mädchen genau berichtet hatten.
»Ich bin jetzt dafür, dass wir äußerst vorsichtig zu Werke gehen«, schlug ich 'vor. »Die Gangster scheinen von der skrupellosesten Sorte zu sein. Das beweist Bens Ermordung. Wir haben ein Ziel. Wir müssen Kontakt zu den Zeitungsboys hersteilen, ohne dass einer von den Boys in unserer Gesellschaft gesehen wird. Über die Zeitungsboys können wir erfahren, wann die Gangster ihr erpresstes Geld abholen wollen. Bei der Gelegenheit nehmen wir ihre Abgesandten fest. Und die werden uns verraten müssen wo der Rest der Bande sitzt.«
Hywood atmete so tief ein, dass sich seine Jacke über den mächtigen Brustkorb spannte.
»Okay. Einverstanden.«
»Und wenn der Beamte, der jetzt diesen dunkelblauen Hut verfolgt, etwa die Spur der Bande finden sollte, dann rufen Sie uns sofort beim FBI an, damit wir gemeinsam überlegen, wie wir Vorgehen können. Wir müssen vorsichtig handeln, damit wir nicht noch das Leben eines anderen Boys gefährden.«
»Das ist mir absolut klar, Cotton. Ich verspreche Ihnen, dass ich nichts unternehmen werde, was wir nicht vorher gemeinsam festgelegt haben.«
»Okay. Vielen Dank, Hywood. Ich sehe jetzt recht optimistisch. Das Mädchen hat uns der Himmel geschickt. Auf einmal ist Klarheit in der Sache und wir tappen nicht mehr absolut im Finstern herum, sondern wissen, dass wir es mit einer Bande zu tun haben. Wir werden sie finden. Und eines ist für mich klar, Hywood, selbst wenn sich die Bande mit Waffengewalt einer-Verhaftung wiedersetzen sollte, der Mann, der Ben Lodgers erschossen hat, bekommt von uns keine Kugel. Er soll auf den Elektrischen Stuhl. Er soll die ganze Todesfurcht durchmachen, die mit einer Hinrichtung verbunden ist.«
Hywood gab uns beiden schweigend die Hand. Und dieser stumme, männliche Händedruck war ein Gelöbnis.
***
Wir fuhren zurück zum Distriktsgebäude. Es war inzwischen Mittag geworden, und Phil und ich gingen irgendwo essen. Das Nationalgericht unserer Kantine mit dem ewigen Hammelfleisch vermochte uns an diesem Tage nicht zu locken.
Nach der Mittagspause meldeten wir uns bei unserem Chef, bei Mister High. Wir erzählten ihm, wie weit die Sache inzwischen gediehen war. Er gab uns Recht, als wir erklärten, dass wir jetzt auf das nächste-Treffen der Zeitungsboys warten und solange nichts weiter unternehmen wollten.
Wir erhielten ein paar kleinere Aufträge von der Art, wie ich sie an dem Vormittag zu erledigen hatte, als ich von Bens Tod erfuhr. Damit waren wir bis zum Abend vollständig ausgefüllt.
Normalerweise wären wir schon um sechs Uhr spätestens aus dem Distriktsgebäude verschwunden gewesen, aber wir fertigten noch die Protokolle über die kleinen Sachen an, die wir am Nachmittag erledigt hatten, und so erreichte uns Hydwoods Anruf gegen sieben noch in unserem Office.
Er meldete, dass sein Beamter ergebnislos von der Verfolgung zurückgekommen sei. Der arme Kerl hatte den ganzen Tag über wie eine Klette auf der Spur des verfolgten Mannes geklebt. Der Bursche
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