0023 - Wir faßten in ein Wespennest
Mädchen, mit dem Sie sich heute früh treffen wollten, ist immer noch nicht zu Hause.«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Phil kratzte sich verlegen auf dem Handrücken. Ich begegnete Mister Highs Blick. Es lag viel Angst darin. Und ich war in dieser Sekunde auch voller Angst, das kann ich Ihnen sagen. Ben hatte es mit dem Leben bezahlen müssen, dass er Verbindung zur Polizei gesucht hatte. Das Mädchen war Bens Freundin gewesen, und wir hatten mit ihr Verbindung aufgenommen, welche Folgerung konnte sich daraus ergeben?
»Okay, Chef«, sagte ich heiser. »Wir tun etwas.«
Er zog die rechte Augenbraue hoch. Dann nahm er die Hand von der Sprechmuschel des Telefons und sagte: »Meine Leute werden sich sofort um die Sache kümmern…«
Mehr hörte ich nicht. Denn ich hatte mit Phil schon den Raum verlassen. Wie ein paar flüchtige Gangster hetzten wir durch den Korridor und mit dem Lift hinab in den Hof.
Ich sprang ans Steuer des Jaguar, Phil kletterte auf der anderen Seite herein. Noch bevor er die Tür richtig zugezogen hatte, preschte ich schon zur Ausfahrt hinaus.
»Wohin?«, fragte Phil.
»Zu dieser Nelly. Gib die Richtung an.«
»Wieso Nelly? Ich denke, wir kümmern uns um den Verbleib des Mädchens?«
»Eben. Vor dem Hause, in dem die Eltern der Kleinen wohnen, erwischten wir die beiden jungen Mitglieder von Nellys Bande. Also kann das Mädchen sowohl von Nellys Leuten, als auch von Hoolands Gang geschnappt worden sein. Da wir noch nicht wissen, wo wir diesen verdächtigen Hooland erreichen können, haben wir gar keine andere Möglichkeit, als es zunächst bei Nelly zu versuchen.«
Er verstand. Mit knappen Worten dirigierte er den Wagen in Nellys Richtung. Ein Glück, dass er New York wie seine Westentasche kannte. Vielleicht eine Viertelstunde, vielleicht auch zwanzig Minuten später hielten wir in einer reichlich verkommenen Gegend vor einem langgestreckten Haus, dessen Erdgeschoss halb unter dem Straßenniveau lag. Vor der Eingangstür lümmelten zwei halbwüchsige Burschen mit breiten Jacketts und Glimmstängeln im Mundwinkel herum. Bevor sie sich verdrücken konnten, hatten wir sie an den Krawatten. Phil den einen, ich den anderen.
»Hör mal zu, mein Freund«, sagte ich. »Wir sind G-man vom FBI. Den Laden wirst du sicher kennen. Dass wir manchmal verdammt hart zupacken können, wirst du auch gehört haben. Schön, in dieser Stimmung sind wir jetzt. Nun bring uns schnell zu deiner lieben Nelly und mach dabei keine Dummheiten, sonst packen wir wirklich mal hart zu.«
Ich hatte es ganz leise gesagt. Aber die drei Buchstaben FBI taten allein ihre Wirkung. Blass und verstört führten sie uns ins Innere des Hauses. Halbdunkel empfing uns. Ich tastete nach meiner Pistole. Auch Phil hatte auf einmal etwas in seiner linken Achselhöhle zu suchen. Laut hallten unsere Schritte auf den Steinfliesen eines langen Ganges. Dann öffnete einer eine Tür. Strahlendes Licht von acht Glühbirnen, die ohne Schirm von der Decke herabhingen, empfing uns. Eine Horde von an die zwanzig jungen Burschen stand herum oder hockte auf wackeligen Stühlen. Sie machten dumme Gesichter, als sie uns sahen.
Wir hatten unsere beiden Führer vorsorglich vorangehen lassen und blieben jetzt abwartend auf der Schwelle stehen.
Wir ließen unsere Blicke durch die schmutzige Bude schweifen. Holla, hier sah es verdammt lustig aus. Ich erkannte auf den ersten Blick an die acht bis zehn Tommy Guns, piekfeine, nagelneue, geölte Maschinenpistolen. Na, da waren wir in die richtige Höhle geraten. Wenn es ausgewachsene Gangster und nicht so halbfertige Männlein gewesenwären, hätte ich keine zwei Nickel mehr für unser Leben gegeben, sondern mir schnell überlegt, welchen Trauermarsch ich für meine Beerdigung wünschte. Aber zum Glück waren die Ältesten hier höchstens zwanzig, wahrscheinlich aber noch nicht einmal achtzehn.
Wir standen auf der Schwelle. Im Bruchteil einer Sekunde wusste ich, was unsere einzige Möglichkeit war. Ein weiterer Bruchteil und ich hatte meine Kanone in der Hand.
»Nächstes Revier«, raunte ich Phil zu.
Der holte tief Luft. Offenbar war er nicht davon erbaut, dass er mich hier allein lassen sollte. Aber dann sah er ein, dass es nicht anders ging. Er verschwand. Ich blieb mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt stehen und deckte ihm den Rückzug.
»Hallo, Boys«, sagte ich leise und kniff meine Augen zusammen. »Ich bin Jerry Cotton vom FBI. Zu eurer Information: Ein G-men vom FBI muss innerhalb von neun
Weitere Kostenlose Bücher