Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0024 - Bestien aus dem Schattenreich

0024 - Bestien aus dem Schattenreich

Titel: 0024 - Bestien aus dem Schattenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
durchzusehen.
    Zwei Minuten später straffte sich seine Haltung.
    Der blaue Umschlag fiel ihm sofort auf, weil er keinen Absender und auch keine Anschrift trug. Der Briefträger konnte ihn demnach nicht gebracht haben. Colombe runzelte die Stirn, riss den Umschlag auf und nahm ein kariertes, offenbar aus einem billigen Schreibheft gerissenes Blatt Papier heraus.
    »Pierre Colombe«, stand als Anrede da.
    Der Name war in großen, ungelenken Blockbuchstaben geschrieben. Der Rest des Briefes setzte sich aus Wörtern zusammen, die der Absender offenbar aus einer Tageszeitung ausgeschnitten hatte. Colombe überflog den Text, während sein breites Gesicht sich mehr und mehr verfinsterte: PIERRE COLOMBE!
    Packen Sie zwanzigtausend neue Francs zusammen und verlassen Sie sofort das Haus. Gehen Sie in das Bistro ›Chez Lulu‹ an der Rue de Sevres. Dort werden Sie weitere Anweisungen bekommen.
    Wenn Sie nicht zahlen, werden die Wölfe zu Ihnen kommen. Lesen Sie die Morgenzeitungen, dann wissen Sie, was Ihnen blüht.
    Schalten Sie nicht die Polizei ein und beeilen Sie sich!
    Der Herr der Wölfe.
    Pierre Colombe ließ das Blatt sinken.
    Seine buschigen Brauen hatten sich zusammengezogen. Noch einmal las er den Brief, dann holte er sich die Zeitung und machte sich die Mühe, den Artikel über die Wölfe in den Tuilerien gründlicher zu studieren. Seine Zigarette verqualmte im Ascher, aber er achtete nicht darauf.
    »Blödsinn«, sagte er laut.
    Die Reporter waren verrückt, und bei den Augenzeugen konnte es sich nur um hysterische alte Tanten handeln. Vermutlich hatten zwei oder drei Schäferhunde einen Mann angefallen – so etwas kam vor. Und die Burschen von der Presse machten daraus jetzt ein Schauermärchen. Typisch! Horror verkaufte sich gut, an den Kinokassen standen die Leute Schlange, um sich alberne Teufelsfilme anzusehen, und die Pariser Wahrsagerinnen hatten Hochkonjunktur.
    Antoinette zum Beispiel ging regelmäßig zu der verrückten Madame Mia, um sich ein glückliches Liebesleben bis ins hohe Alter prophezeien zu lassen. Den Leuten schien es Spaß zu machen, wenn man ihnen den klaren Verstand vernebelte. Er, Pierre Colombe, konnte darüber nur lachen, er…
    Seine Gedanken schlugen eine andere Richtung ein. Immerhin, sagte er sich, war dieser Brief ein glasklarer Erpressungsversuch. Irgendein Idiot bildete sich ein, bei einem Pierre Colombe absahnen zu können. Zwanzigtausend Francs waren zwar genau genommen nur ein Taschengeld – aber der hünenhafte Millionär ärgerte sich darüber, dass überhaupt jemand so etwas bei ihm wagte.
    Vielleicht konnte die Polizei den Schreiber ermitteln.
    Es sollte ja heutzutage geradezu fabelhafte Methoden geben, um einem Gauner auf die Schliche zu kommen. Pierre Colombe hatte zwar keine Lust, Zeit und Energie in diesen Fall zu investieren, aber es widerstrebte ihm auch, das obskure Schreiben einfach sang- und klanglos in den Papierkorb zu befördern.
    Einen Moment lang zögerte er noch – dann ging er zum Telefon und wählte die Nummer der Sûreté…
    ***
    Professor Zamorra, Nicole Duval und Bill Fleming kamen am nächsten Morgen im Frühstücksraum des Hotels zusammen.
    Der gestrige Nachmittag war zwar für alle drei äußerst aufschlussreich und interessant gewesen, Professor Lecourbés Sammlung alter Chroniken enthielt eine Fülle von nahezu unbekanntem Material, aber auf das, was sie eigentlich suchten, waren sie nicht gestoßen.
    Heute wollten sie weitermachen. Bis sie alles gesichtet hatten, konnten noch Tage vergehen, doch sie wussten, dass das im Moment ihre einzige Chance war.
    Bill Fleming rührte in seiner Kaffeetasse. »Diese alten Chroniken machen mich nervös«, sagte er. Und auf Nicoles fragenden Blick:
    »Alle drei, vier Seiten stößt man auf irgendeine Einzelheit, die einen dazu verlockt, weiter nachzuforschen und sich näher mit dem Thema zu befassen. Lecourbés Privatsammlung ist eine Fundgrube. Und ich bin dazu verurteilt, nach einer Geschichte über Wölfe zu suchen, von der ich nicht einmal genau weiß, ob sie existiert.«
    Zamorra lachte leise. »Professor Lecourbé ist äußerst entgegenkommend. Vielleicht gibt er dir die Gelegenheit zu gründlicheren Studien, wenn wir das Rätsel mit den Wölfen gelöst haben…«
    »Meine einzige Hoffnung. Ich glaube…«
    Er unterbrach sich, da im gleichen Moment der Kellner an den Tisch trat. Der Mann in der weißen Jacke beugte sich zu dem Professor herab und erklärte in dezentem Flüsterton, dass er am Telefon

Weitere Kostenlose Bücher