0024 - Bestien aus dem Schattenreich
er. »Immerhin hat es in diesem Fall schon einige Tote gegeben.«
»Tote? Quatsch! Mir kann man doch keine Schauermärchen verkaufen, nur weil innerhalb relativ kurzer Zeit ein paar Hunde über ein paar Leute hergefallen sind.«
»Monsieur Colombe, es waren keine Hunde, sondern…«
»Wölfe? Haha! Tut mir Leid, wenn ich da nur lachen kann. In Paris gibt es keine Wölfe, es sei denn im Zoo. Ich weiß es, Sie wissen es, alle Welt weiß es – aber die verdammten Reporter pflegen ja auch alle Jahre wieder das Ungeheuer von Loch Ness aus der Versenkung zu holen, wenn ihnen nichts besseres mehr einfällt.«
Didier warf Zamorra einen Blick zu. Offenbar las er sehr deutlich in den Zügen des Professors, denn er wandte sich noch einmal an den störrischen Hünen.
»Monsieur Colombe! Es ist Tatsache, dass Sie erpresst werden. Es ist durchaus möglich, dass der Erpresser Ihre Weigerung, zu zahlen, mit Repressalien irgendwelcher Art beantwortet. Unter diesen Umständen möchte ich vorschlagen, Sie unter Polizeischutz zu stellen und…«
»Polizeischutz? Ich? Das ist ein Witz, meine Herren.«
»Aber…«
»Nein!«, grollte Colombe, jetzt ernsthaft wütend. »Nein und nochmals nein! Ich bin ein Geschäftsmann. Ich habe drei bis viermal am Tag äußerst delikate Entscheidungen zu treffen. Meine Geschäftspartner würden sich schön bedanken, wenn ich mit einem Schatten auftauchte – und wenn es zehnmal ein Polizeischatten wäre.« Er stemmte die Hände in die Hüften und starrte Didier in die Augen.
»Ich verweigere hiermit offiziell jeglichen Polizeischutz, Commissaire. Und ich werde Ihnen sehr erhebliche Schwierigkeiten machen, falls Sie sich nicht daran halten sollten.«
Didier erwiderte den Blick.
»Wie Sie meinen, Monsieur«, sagte er gelassen.
»Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen?«
»Im Augenblick nicht. Wir werden uns melden, falls es noch strittige Punkte gibt. Den Brief müssen Sie mir allerdings überlassen, Monsieur.« Er lächelte fein. »Ich wäre sonst gezwungen, ihn zu beschlagnahmen.«
»Aber bitte! Bei mir wäre der Wisch ohnehin nur in den Papierkorb geflogen.«
Didier nahm das Blatt Papier mit einer Pinzette auf und schob es in eine Cellophan-Hülle. Das Ganze verstaute er in der Innentasche seines Jacketts. Sie verabschiedeten sich von Pierre Colombe, und wenig später saßen Zamorra und Didier wieder im Wagen.
»Was halten Sie davon?«, fragte der Kommissar nachdenklich.
Zamorra hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Ich habe ein schlechtes Gefühl. Ein sehr schlechtes sogar! Das ist keine Redensart, Commissaire. Irgendetwas wird geschehen, das weiß ich.«
Didier warf ihm einen Blick zu – einen fast scheuen Blick.
»Wir können nichts tun«, sagte er. »Colombe hat sich Polizeischutz verbeten und wir müssen uns daran halten.«
Der Professor zögerte einen Moment. Seine grauen Augen hatten sich verengt, hingen an der Stuckfassade des Hauses – und wieder spürte er jene seltsame Ausstrahlung von Tod und Verderben.
»Sie müssen sich daran halten, Commissaire«, sagte er gedehnt.
»Ich nicht! Ich bin ein ganz gewöhnlicher Zivilist, den keine Dienstvorschriften daran hindern, sich da aufzuhalten, wo er es gerade für nötig befindet.«
***
Jean Calmat saß in seinem alten blauen Fiat und studierte scheinbar vollkommen vertieft den Figaro.
Calmat parkte vor einer kleinen, exklusiven Boutique. Jeder, der ihn sah, musste ihn für einen Mann halten, der darauf wartete, dass seine Frau oder seine Freundin das Geschäft wieder verlassen würde. Ab und zu hob er den Kopf, sah zur Uhr, als werde ihm das Warten zu lang – doch in Wahrheit nutzte er jedes Mal die Gelegenheit, um zum Eingang von Pierre Colombes Haus hinüberzuspähen, das er in einiger Entfernung sehen konnte.
Calmat beobachtete die Ankunft von Kommissar Didier.
Der Gangster erkannte den Dienstwagen der Kriminalpolizei an der Funkantenne und schürzte verächtlich die Lippen. Er hatte Colombe richtig eingeschätzt, und er nahm an, dass auch der weitere Verlauf der Ereignisse seinen Berechnungen entsprechen würde. Die Ankunft des ihm unbekannten Zamorra irritierte ihn zwar – aber als Didier und der Professor nach einer Weile wieder abfuhren, war der Gangster zufrieden.
Das änderte sich, als eine halbe Stunde später der helle Citroën über die Straße rollte.
Calmat kannte den Wagen nicht. Er konnte ihn nicht kennen, da ihn Zamorra erst gerade gemietet hatte, doch der Gangster sah das harte,
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