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0024 - Bestien aus dem Schattenreich

0024 - Bestien aus dem Schattenreich

Titel: 0024 - Bestien aus dem Schattenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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steigerte sich jetzt das heisere, angriffslustige Fauchen.
    Erneut prallte eins der Tiere gegen das massive Holz. Pierre Colombe wusste oder glaubte zu wissen, dass keine Gefahr bestand, dass die Tiere unmöglich die Tür aufsprengen konnten und fuhr hastig in seine Kleider.
    Marielle war schneller fertig. Sie zitterte, drängte sich gegen den Mann. Ihre aufgerissenen grünen Augen hingen an der Haustür, die jetzt erneut unter einem dumpfen Aufprall erbebte.
    »Oh Gott!«, flüsterte das Mädchen. »Was sollen wir nur tun? Was…«
    »Beruhige dich! Sie können nicht herein. Ich glaube…«
    Marielle erfuhr nicht mehr, was Pierre Colombe glaubte.
    Draußen steigerte sich das Bellen und Fauchen zum brodelnden Orkan. Der Angriff der Wölfe glich dem Anrollen einer mächtigen Woge. Holz knarrte und quietschte, ein paar einzelne Splitter flogen aus der Tür, und dann wurde sie mit einem gewaltigen Ruck aus den Angeln gerissen.
    Die Kraft, die das bewirkt hatte, war übernatürlich, musste übernatürlich sein, doch die beiden bedrohten Menschen wurden zu sehr von Entsetzen geschüttelt, um das noch begreifen zu können.
    Marielle Aubry stieß einen gellenden Schrei aus.
    Sie wich zurück, Schritt für Schritt, taumelnd vor Grauen. Ihr Blick hing an der Tür, die auf den Fußboden gekracht war, an den grauen Leibern, die sich gleich einer Flut ins Zimmer ergossen. Das Entsetzen verwirrte ihre Sinne, verwandelte sie in eine Marionette. Mit einer flatternden Gebärde fuhren ihre Hände zur Kehle. Immer weiter wich sie zurück, und als sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß, sank sie mit einem erstickten Wehlaut in die Knie.
    Pierre Colombe riss das Gewehr hoch. Er ahnte, dass er keine Chance hatte. Aber tief in ihm war ein wilder, verbissener Selbsterhaltungstrieb erwacht, war jene Urkraft aufgebrochen, die die Menschen seit Jahrhunderten auch in schwierigsten Situationen zum Überleben befähigt. Colombe war halb wahnsinnig vor Angst. Das Entsetzen hatte sein Bewusstsein wie eine rote Woge überflutet, aber er brachte es fertig, eiskalt und gezielt in die angreifende Meute hineinzufeuern.
    Er schoss und repetierte, schoss und repetierte abermals. Kugel auf Kugel jagte er hinaus, zielte auf Köpfe, graue Leiber, gelbe, tückische Augen – und dass die Tiere gegen die Treffer immun waren, kam ihm gar nicht mehr zu Bewusstsein.
    Der Leitwolf sprang ihn an.
    Unter dem Gewicht der Bestie flog die Büchse zur Seite. Die Bewegung, mit der Colombe schützend die Arme vor sein Gesicht heben wollte, kam zu spät. Er taumelte. Dicht vor sich sah er den Schatten, der auf ihn zuflog, spürte die scharfe Ausdünstung des Körpers – und dann war da nur noch der jähe, heiße Schmerz, als sich die mächtigen Fangzähne in seine Kehle bohrten.
    Pierre Colombe stürzte.
    Und die graue Meute schlug wie eine Flutwelle über ihm zusammen und begrub ihn unter sich…
    Minuten vergingen.
    Minuten, in denen nur das schreckliche Schnappen, Malmen und Reißen zu hören war. Minuten, in denen Marielle Aubry schwankend am Boden kniete, mit flackernden Augen zusah – und in denen sich ihr Verstand endgültig verwirrte.
    Sie wimmerte nur noch. In einem seltsamen Rhythmus wiegte sie den Oberkörper hin und her, als könne sie Trost finden im Gleichmaß der Bewegung. Ihr Geist hatte eine Wirklichkeit verlassen, die zu entsetzlich war, um sie zu ertragen.
    Marielle Aubry stieß nicht einmal einen Schrei aus, als die Wölfe über sie herfielen.
    ***
    »La Maison des Loups«, sagte Bill Fleming aus seinen Gedanken heraus.
    Nicole hob den Kopf. »Wie bitte?«
    »La Maison des Loups«, wiederholte Bill, jetzt mit einem erregten Unterton in der Stimme. »Das Haus der Wölfe! Das könnte eine Spur sein!«
    Nicole sprang auf. Ihre Augen funkelten unternehmungslustig – zu lange hatte sie in der düsteren Bibliothek gesessen und im Schein der Leselampe vergeblich alte Bücher studiert. Mit zwei Schritten stand sie hinter Bill, sah ihm über die Schulter und betrachtete die vergilbte Zeichnung, auf die er wies.
    Sie zeigte ein Gebäude aus längst vergangener Zeit. Keine Burg, kein Schloss, sondern eine Villa mit spitzen Türmchen, hohen Spitzbogenfenstern und seltsamen Skulpturen in einem düsteren, irgendwie unheimlich anmutenden Park. »La Maison des Loups« stand in altertümlichen Buchstaben darunter.
    »Und was bedeutet das?«, fragte Nicole gespannt.
    Bill hob die Schultern. »Ich weiß nicht. Hier ist lediglich von einem Edelmann die Rede, der,

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