0024 - Bestien aus dem Schattenreich
aus – auf jeden Fall besser als Zamorra, für den das Gebiet eine Art Labyrinth darstellte. Er kniff die Augen zusammen, sah sich um. Wo konnte der Kerl stecken? In einem der Pavillons? Vielleicht hinter dem Sockel einer Marmorputte, zwischen schützenden Sträuchern oder…
Er fuhr zusammen.
Ganz kurz nur sah er den Revolver, sah das Aufblinken von brüniertem Metall in der dunklen Fensterhöhle einer Gartenlaube, und mit dem nächsten Atemzug peitschte bereits der Schuss.
Zamorra wollte sich fallen lassen – zu spät!
Ein Schlag traf seine Schläfe. Tief in seinem Schädel schien es eine grelle Explosion zu geben, die Beine knickten unter ihm weg.
Schwer fiel er vornüber, versuchte noch einmal, auf die Beine zu kommen, kippte zur Seite und verlor endgültig das Bewusstsein.
Das Letzte, was er hörte, war das entfernte Heulen von Sirenen, das sich rasch näherte…
Als er wieder zu sich kam, lag er auf einer Trage im Ambulanzwagen der Polizei.
Serge Didier beugte sich über ihn. Das Gesicht des Kommissars wirkte blass und besorgt. Zamorra wollte sich aufrichten und ließ sich mit einem unterdrückten Ächzen wieder zurücksinken, weil der bohrende Kopfschmerz ihm förmlich den Schädel zu sprengen schien.
Die Erinnerung kehrte zurück.
Pierre Colombe!
Der Wagen mit den durchstochenen Reifen.
Die Schüsse, der plötzliche Schlag…
Mühsam hob der Professor die Hand und tastete nach seiner Schläfe. Er fühlte ein großes Heftpflaster. Didier lächelte beruhigend.
»Streifschuss«, sagte er. »Sie haben Glück gehabt, Professor, unverschämtes Glück. Ein paar Zentimeter weiter nach links, und es wäre aus mit Ihnen gewesen. Wer war das?«
»Ich weiß es nicht.« Erneut versuchte Zamorra sich aufzurichten, und diesmal gelang es ihm. Schleier tanzten vor seinen Augen. Undeutlich sah er die Gestalt des Kommissars und den Arzt in dem weißen Kittel, der aus dem Hintergrund des Ambulanzwagens kam und ein Glas Wasser und vier rosafarbene Pillen in den Händen hielt.
»Nehmen Sie das, Professor«, sagte er. »Danach wird es Ihnen schnell besser gehen. Allerdings würde ich Ihnen dringend ein paar Tage Ruhe empfehlen.«
Zamorra schluckte die Pillen und spülte mit Wasser nach. Dass es mit der Ruhe nichts werden würde, stand für ihn ohnehin fest. Er atmete ein paar Mal tief durch, um mit den Kopfschmerzen fertig zu werden und dann begann er, in knappen Worten zu berichten.
»Wir haben einen Fehler gemacht«, schloss er. »Wir hätten damit rechnen müssen, dass der ›Herr der Wölfe‹ das Haus ebenfalls beobachtet. Jetzt hat der Verbrecher einen unschätzbaren Vorteil.«
Didier wandte den Kopf. »Sie glauben tatsächlich, dass Colombe in Gefahr ist?«
»Glauben Sie etwas anderes?«
Die Frage klang knapp, hart und zwingend. Serge Didier atmete tief durch, und seine Schultern spannten sich.
»Sie haben Recht«, sagte er leise. »Es gibt keine andere Schlussfolgerung als die, dass sich Pierre Colombe in tödlicher Gefahr befindet. Und da wir den Herrn der Wölfe nicht kennen, werden wir zunächst einmal ganz offiziell nach Colombe fahnden müssen…«
***
»Hast du eine Zigarette für mich?«
»Da liegen welche.« Pierre Colombe wies auf das Ablagefach des Wagens, wo er Zigaretten und Feuerzeug deponiert hatte. »Zündest du mir auch eine an, Chérie?«
Marielle Aubry griff nach der Packung. Sie zündete zwei Zigaretten an, schob eine davon ihrem Begleiter zwischen die Lippen und inhalierte tief. Ihre grünlich schillernden Augen beobachteten die Straße, die wie ein hellgraues Band in der Sonne lag und sich zwischen idyllischen Alleebäumen über den Hang wand. Tizianrotes Haar fiel dem Mädchen über die Schultern, reichte bis tief in den Rücken und umrahmte ein schmales, katzenhaftes Gesicht mit spitzem Kinn, schrägen Augen und kindlichem Schmollmund. Marielle trug ihren Minirock völlig ungeachtet der Frage, ob er nun gerade modern war oder nicht. Die giftgrüne Bluse spannte über den herausfordernd straffen Brüsten, das Nichts von Rock präsentierte die sehenswerten Beine des Mädchens in voller Länge, und Colombe wusste jetzt schon, dass er eine Menge Rasierwasser würde versprühen müssen, um den blumigen, exotischen Duft ihres Parfüms aus dem Wagen zu vertreiben.
Marielle rauchte. Sie betrachtete die Landschaft, aber Colombe kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie gar nicht wirklich hinsah.
»Hast du mit deiner Frau gesprochen?«, fragte sie aus ihren Gedanken
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